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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Knirsch«, sagte Lilly. »Lass ihn los.« Logan war überrascht, als Knirscher ihn tatsächlich sofort freigab. Knirscher hörte auf niemanden außer ihm.
    Lilly lächelte ihn an. »Schön zu sehen, dass du wieder da bist.«
    »Ich sehe, du hast einen neuen Freund gewonnen«, erwiderte Logan, der Eifersucht empfand und ein schlechtes Gewissen deswegen hatte.
    Sie senkte die Stimme. »Du hättest ihn sehen sollen, König. Er war prachtvoll.« Sie verzog ihren zahnlückigen Mund zu einem Lächeln und tätschelte Knirschers knotigen Kopf. Er schloss die Augen und zeigte seine abgefeilten Zähne, als auch er breit lächelte. »Du hast es gut gemacht, nicht wahr, Knirsch?«
    »Jaaaa«, sagte er, die Stimme in der Mitte des langgezogenen Wortes etwas erhoben.
    Logan wäre beinahe wieder umgefallen. Es war das erste Mal, dass er Knirscher hatte sprechen hören.
    »Du kannst reden?«, fragte er.
    Knirscher lächelte.
    »He, Hure«, rief Fin von der anderen Seite des Lochs. Er hatte den größten Teil seines Sehnenseils aufgerollt und fügte
ihm einen frisch geflochtenen Strang hinzu. Logan sah, dass jetzt nur noch sieben Locher übrig waren. »Es wird Zeit, dass du dich wieder an die Arbeit machst.«
    »Du wirst warten, bis ich so weit bin«, entgegnete Lilly. »Ich habe keinen von ihnen mehr rangelassen, seit du krank geworden bist«, erklärte sie Logan.
    »Was ist das für ein Geräusch?«, fragte Logan. Er hatte es zuerst nicht bemerkt, weil es so stetig war, aber von irgendwo anders im Schlund hallten eine Art raspelndes Geräusch und ein leises Murmeln ins Loch herunter.
    Bevor sie antworten konnte, spürte Logan, wie sich etwas in der Luft bewegte. Die Locher sahen einander an, aber alle Gesichter waren leer. Irgendetwas hatte sich verändert, doch niemand konnte erkennen, was.
    Logan fühlte sich noch schwächer, kränker. Die Luft wirkte schwerer als zuvor, drückend. Einmal mehr wurde er sich des Gestanks und der Abscheulichkeit des Lochs bewusst - er roch es zum ersten Mal seit Monaten. Er hatte das Gefühl, als sei er sich zum ersten Mal des Schlamms bewusst, der die Oberfläche des Lebens bedeckte. Er war mit Schmutz bedeckt, und es gab kein Entrinnen. Jeder Atemzug füllte ihn mit weiteren Giften, jeder Augenblick strich mehr Dreck auf seinen Körper, rieb Öl tiefer in jede Pore. Einfach um zu existieren, musste er diesen Schmutz in sich hineindrücken lassen, musste Dunkelheit seine Haut so tief durchdringen lassen, dass sie ihn tätowierte, dass sie Dreck für immer zu einem Teil von ihm machte, sodass jeder, der ihn sah, jede böse Tat sehen würde, die er je getan hatte, jeden unwürdigen Gedanken, den er je gehegt hatte.
    Er war sich kaum des Lärms bewusst, der durch den Schlund drang. Gefangene schrien, bettelten um Gnade. Die
Schreie breiteten sich aus und wurden schriller und verzweifelter, während die Gefangenen näher am Loch in die Schreie einfielen. Unter dem schrillen Heulen hörte Logan wieder dieses Klirren, wie von Eisenrädern, die über Stein knirschten.
    Rund um das Loch hatten sich grausame Mörder in Fötusposition zusammengerollt, hielten sich die Ohren zu und pressten sich an die Wand. Einzig Tenser und Fin bildeten eine Ausnahme. Fin schien verzückt zu sein, seine Seile lagen schlaff auf seinem Schoß, sein Gesicht emporgewandt. Tenser sah, dass Logan sich mit weit aufgerissenen Augen umblickte.
    »Khali ist gekommen«, sagte Tenser.
    »Was ist das?«, fragte Logan. Er konnte sich kaum bewegen. Er wollte sich ins Loch stürzen, um dem Grauen und der Verzweiflung ein Ende zu machen.
    »Sie ist ein Gott. Die bloßen Steine hier triefen von tausend Jahren Schmerz, Hass und Verzweiflung. Der ganze Schlund ist wie ein Juwel des Bösen, und hier ist der Ort, an dem Khali ihr Lager aufschlagen wird, in den schwärzesten Tiefen roher Dunkelheit.« Dann stimmte er einen Singsang an, wieder und wieder: »Khali vas, Khalivos ras en me, Khali mevirtu rapt, recu virtum defite.«
    Tatts war Tenser am nächsten, und er packte den Mann. »Was sagst du da! Hör auf damit!« Er legte Tenser die Hände um die Kehle und zerrte ihn zum Rand des Lochs.
    Sofort sprangen überall auf Tensers Armen schwarze Netze auf, und Tatts traten die Augen aus den Höhlen. Er würgte. Sein Mund bewegte sich, und aus seiner Kehle kamen leise, ächzende Laute. Er stolperte rückwärts vom Loch weg, ließ Tenser los und fiel auf die Knie. Tatts Gesicht war rot, Adern traten an seinem Hals und an seiner Stirn hervor, und er

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