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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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lächelte und hoffte, dass er nicht sehen konnte, wie sehr ihr die Knie zitterten.
    »Halt deine Hose fest«, sagte sie.

47
    Während sie die letzten Striche Kohlestift um die Augen auftrug, blickte Kaldrosa Wyn lang in den Spiegel. Ich kann das schaffen. Für Tomman.
    Sie hätte nicht sagen können, warum, aber sie wollte heute Abend perfekt aussehen. Vielleicht lag es einfach daran, dass die heutige Nacht ihre letzte sein würde. Ihre letzte Nacht als Hure oder ihre letzte Nacht, Punkt.
    Das Kostüm war natürlich pure Fantasie. Eine sethische Frau würde auf Deck niemals so etwas tragen, aber für heute Abend war es perfekt. Die Hose war so eng, dass Kaldrosa sie nicht einmal hatte anziehen können, bis Daydra ihr lachend erklärt hatte, dass sie darunter keine Unterwäsche tragen könne. (»Aber man kann ja hindurchsehen!« - »Na und …?« - »Oh.«) Aus irgendeinem Grund entblößte sie nicht nur ihre Knöchel, sondern auch ihre Waden - entsetzlich! -, während die Bluse genauso eng und durchsichtig war, mit Rüschen an den Handgelenken - lächerlich! - und an dem offenen V, das ihr bis zum Nabel reichte. Knöpfe am Hemd legten die Vermutung nahe, dass man es schließen konnte, aber selbst wenn Kaldrosa das winzige Stückchen Stoff über ihre schlanke Gestalt hätte ziehen können - sie hatte es versucht -, gab es keine Knopflöcher.
    Momma K war mit Meister Piccuns Arbeit sehr zufrieden gewesen. Sie beharrte darauf, dass eine spärliche Kleidung
erotischer sei als Nacktheit. Heute Abend machte es Kaldrosa nichts aus. Wenn sie rennen musste, wäre sie in dieser Gewandung schwerer zu fassen als in Röcken.
    Sie kam ins Foyer, und schon bald traten die anderen Mädchen aus ihren Zimmern. Heute Abend arbeiteten alle, bis auf Bev, die zu große Angst hatte. Bev gab vor, krank zu sein, und blieb die ganze Nacht in ihrem Zimmer. Kaldrosa geriet beinahe in Panik, als sie die anderen Mädchen sah. Sie alle sahen fantastisch aus. Jede Einzelne von ihnen hatte zusätzliche Zeit auf Schminke, Haar und Kleidung verwandt. Beim Speer des Porus! Die Khalidori würden es bemerken. Sie mussten es bemerken.
    Ihre Mitbewohnerin, Daydra, die sie mehr als einmal gerettet hatte, indem sie nach Rausschmeißern rief, wenn sie Kaldrosa ihr Kodewort schreien hörte, lächelte sie an. »Nicht schlecht, was?«, sagte Daydra. Sie sah aus wie eine neue Frau. Obwohl kaum siebzehn Jahre alt, war sie vor der Invasion eine erfolgreiche Prostituierte gewesen, und heute Abend sah Kaldrosa nicht zum ersten Mal, warum sie so gut verdient hatte. Die Frau strahlte. Es scherte sie nicht, ob sie starb.
    »Bist du bereit?«, fragte Kaldrosa, obwohl sie wusste, dass es eine dumme Frage war. Ihr Stockwerk würde in nur wenigen Minuten den Kunden geöffnet werden.
    »So bereit, dass ich es all meinen Freundinnen in den anderen Bordellen erzählt habe.«
    Kaldrosa erstarrte. »Bist du wahnsinnig? Du sorgst dafür, dass wir alle getötet werden!«
    »Hast du es denn nicht gehört?«, fragte Daydra leise und mit ernster Miene.
    »Was soll ich gehört haben?«
    »Die Bleichen haben Jarl getötet.«

    Alle Luft wich mit einem Zischen aus Kaldrosas Lunge. Wenn sie noch eine winzige Hoffnung für die Zukunft gehabt hatte, dann wegen Jarl - Jarl und sein strahlendes Gesicht, seine Worte über die Vertreibung der Khalidori und einen Neuanfang, über das Erbauen von hundert Brücken über den Plith und die Abschaffung aller Gesetze, die Menschen aus dem Labyrinth, Sklavengeborene und ehemalige Sklaven sowie die Verarmten an die Westseite der Stadt ketteten. Jarl hatte von einer neuen Ordnung gesprochen, und wenn er gesprochen hatte, hatte es geklungen, als ob es möglich sein könnte. Sie hatte sich auf eine Weise mächtig gefühlt, wie sie es noch nie zuvor getan hatte. Sie hatte Hoffnung gehabt.
    Und jetzt war Jarl tot?
    »Weine nicht«, sagte Daydra. »Du wirst deine Schminke verschmieren. Du wirst uns alle zum Weinen bringen.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Die ganze Stadt spricht davon«, warf Shel ein.
    »Ich habe Momma Ks Gesicht gesehen. Es ist wahr«, bemerkte Daydra. »Du denkst also wirklich, irgendeine Braut würde uns an die ausliefern? Nachdem sie Jarl getötet haben?«
    Die letzte Tür im Stockwerk wurde geöffnet, und Bev kam heraus, mit ihrem Bullentänzerinnenkostüm, ihren mit Draht zu Zwillingshörnern geformten Pferdeschwänzen, ihrer nackten Taille und den kurzen Hosen. Das Tänzerinnenmesser an ihrem Gürtel sah nicht aus wie die übliche

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