Am Rande Der Schatten
bewegte sich. »Atme durch den Mund. Denk nicht nach, tu es einfach.«
Kylar blinzelte töricht, dann kam er wieder zu sich und folgte Vi. Das Wesen, das er hier spürte, war Khali. Genau davor hatte Logan ihn gewarnt.
Sie gingen in die Grube hinunter. Kylar bewegte sich am Rand entlang und blickte in die Tiefe. Als er näher kam, konnte er sehen, dass die Meister den Mann nicht opferten, zumindest nicht in einem herkömmlichen Sinn. Ihr Opfer war ein Lodricari, dessen gesamter Körper von Tätowierungen bedeckt war. Die Haut hing ihm dünn und schlaff am großen, verhutzelten Körper. Er war mit dem Gesicht nach unten mit dicken Ketten an den goldenen Altar gebunden, und man hatte ihn bis zur Taille entkleidet.
Sechs Meister saßen mit gekreuzten Beinen und geschlossenen Augen an den Spitzen des goldenen lodricarischen Sterns im Boden und setzten ihren Singsang fort. Zwei weitere standen links und rechts des Altars. Einer hielt einen Hammer in der Hand und der andere …
Kylar konnte es nicht glauben, bis er den Boden der Grube
erreicht hatte. Der erste Meister hielt einen Zimmermannshammer und goldene Nägel in Händen, während der zweite das Rückgrat eines Pferdes über das Steißbein des tätowierten Mannes hielt.
Der Meister legte das Rückgrat zurecht, und der andere Meister knirschte mit den Zähnen und hielt den fünfzehn Zentimeter langen goldenen Nagel darüber. Dann schlug er den Hammer ein. Der tätowierte Mann schrie und bäumte sich auf. Mit zwei weiteren schweren Schlägen bohrte sich der Nagel ganz hinein. Anschließend traten beide Meister zurück, und Kylar konnte das Opfer zum ersten Mal richtig sehen.
Irgendetwas stimmte nicht mit seiner Haut. Zuerst konnte Kylar wegen all der Tätowierungen nicht erkennen, was es war, doch zwischen den Tätowierungen konnte er sehen, dass der Mann gerötet war. Seine Adern drängten an die Oberfläche der Haut, als hebe er ein schweres Gewicht. Das wäre noch verständlich gewesen angesichts dessen, was er durchmachte, aber die Adern waren nicht an den richtigen Stellen. Dicke Adern und Arterien, blau und rot, drückten überall gegen die Haut. Und die Haut selbst wirkte seltsam gesprenkelt, als hätte der Mann auf dem ganzen Körper Pockennarben.
Die Meister traten zurück und riefen einen Befehl. Ein Gefangener wurde aus dem Nordtunnel gebracht, wo Kylar eine Zelle mit einem Dutzend Männer darin ausmachen konnte. Der Mann war an Händen und Füßen gefesselt, und um seinen Hals lag ein Seil. Eine junge, hübsche Meisterin wickelte das Seil auf, wobei sie achtgab, dass sie mit keinem Teil ihres Körpers in den magischen Kreis geriet. Sie stand dem Gefangenen gegenüber auf der anderen Seite des Kreises; der Mann brüllte vor Angst. Kalter Schweiß lief ihm übers
Gesicht, und Urin rann ihm am Bein hinab. Sein Blick war auf den Mann auf dem Altar geheftet. Die junge Meisterin begann an dem Seil um den Hals des Mannes zu ziehen und zog ihn in den Kreis hinein. Er humpelte einen Schritt weit, bevor er begann, sich zu wehren, und dann war es zu spät. Er verlor das Gleichgewicht und machte stolpernd einige Schritte vorwärts, um nicht zu stürzen. Als er sah, dass sein Weg ihn direkt zu dem tätowierten Mann führen würde, warf er sich zur Seite.
Mit hinter dem Rücken gefesselten Händen hatte das Opfer keine Chance, sich zu fangen. Sein Gesicht krachte auf den Feuerglasboden.
Die Meister, die nicht saßen oder sangen, fluchten. Die Frau positionierte sich neu und warf das Seil über den Altar. Ein Meister trat neben sie, und sie begannen den halb bewusstlosen Mann wieder zum Altar zu ziehen.
Warum benutzen sie nicht einfach Magie? Aber dann blickte Kylar durch den Ka’kari und glaubte, den Grund zu kennen.
Das ganze Gewölbe war voller Magie. Die Magie wogte von den Meistern weg, wie Schwefelrauch vom Loch wegwogte. Sie sickerte über den Boden. Die bloße Luft war davon erfüllt - überall, nur nicht um den Altar herum. Dort war die Luft tot. Die Meister schufen etwas, das sich Magie widersetzen würde - selbst ihrer eigenen. Aber während Kylar genauer hinschaute, sah er, dass der Mann nicht unberührt war von ihrer Magie. Alle Meister, die sangen, verwoben irgendetwas in der Luft über dem Altar, und sie senkten es an zwei Punkten auf den Mann hinab. Im Nacken des Mannes, links und rechts seines Rückgrats, waren zwei Diamanten eingenagelt, ein jeder von der Größe eines Daumennagels. Im sichtbaren Spektrum waren sie unsichtbar, bedeckt mit
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