Am Rande Der Schatten
überzeugt, dass er ein kleines Vermögen würde machen können, während sie die Stadt plünderten …
»Ich sollte dich töten«, sagte Ferl. »Ich sollte dich töten, nur um ihre Pläne zu vereiteln.«
Der fette Mann wurde eine Schattierung bleicher. Er konnte erkennen, dass es Ferl ernst war.
»Erzähl es mir, Fettkloß«, sagte Ferl. »Wenn die Vürdmeister dir mitteilen würden, dass du weiterleben könntest, wenn du in Bezug auf die Identität deiner Entführer lügst, würdest du es tun?«
»Was für eine dumme Frage ist das denn?«, fragte Baron Kirof.
Also hatten sie gewusst, dass Kirof mitspielen würde. »Ihr seid ein tapferer Mann, nicht wahr, Fettkloß?«
»Was?«, fragte Baron Kirof. »Ich verstehe dein Gesabber nicht. Warum nennst du mich wertlos?«
Ferls Hand schoss durch die Gitterstäbe, und er packte eine Handvoll vom Fett des Barons und kniff es so fest wie möglich zusammen. Baron Kirofs Augen weiteten sich, und er heulte auf und versuchte zurückzuweichen, aber Ferl hielt ihn an seinem Fett an den Gitterstäben fest. »Fettkloß! Fettwanst!«, sagte er. Er packte mit der anderen Hand die Wange
des Barons und kniff zu. Der Mann ruderte mit den Armen und versuchte, Ferls Hände wegzuschlagen, aber er war zu schwach. Er heulte. »Fettwanst!«, schrie Ferl ihm ins Gesicht. Dann ließ er ihn los.
Der Baron wich tiefer in seine Zelle zurück und ließ sich, die Augen trüb von Tränen, auf sein Bett fallen, wo er sich die Wange und seine Speckwulst rieb. »Fettwanst?«, fragte er verletzt.
Ferl hatte Glück, dass er keinen Speer in der Hand hielt. »Schwing deinen fetten Arsch«, sagte er. »Wir verschwinden.«
13
Allein die Bewegung - die Sprünge von Dach zu Dach, das Fliegen über die Welt unter ihm - erfüllte Kylars Herz mit Glück. Cenarias Gebäude waren eine Mischung aus Häusern im ceuranischen Stil, aus Reisfaser und Bambus, mit steilen, mit Tonziegeln gedeckten Dächern, und strohgedeckten Häusern aus rotem Ziegelstein und Holz. Es war nur selten möglich, sich von Dach zu Dach zu bewegen. Hier, Hunderte von Meilen entfernt vom nächsten Reisfeld und ohne die Drohung von Schnee, waren alle Dächer flach und aus solidem Ton, und sie wurden getragen von gutem Holz. Für einen Mann von Kylars Talenten bildeten sie eine Schnellstraße in der Luft.
Kylar ergötzte sich daran. Er ergötzte sich an der Stärke seiner Muskeln, ergötzte sich am Geschmack der Nachtluft und an der geheimen Macht, sich als ein Schatten durch die
Nacht zu bewegen. Alles stimmte. Nichts passte ihm so wie seine grauen Blutjungenroben. Entworfen von Cenarias bestem Schneider, Meister Piccun, bewegten sie sich mit ihm. Das gesprenkelte Farbmuster ließ seine Silhouette verschwimmen und hätte selbst einen Mann ohne magisches Talent beinahe unkenntlich gemacht.
Er hielt am Rand eines Gebäudes inne, ließ den Kopf kreisen und lockerte die Rückenmuskulatur, während er zurückhuschte. Die Lücke zum Dach des Lagerhauses maß gute sieben Meter. Er stieß den Atem aus und rannte los. Seine Schritte machten ein scharrendes Geräusch, als er auf den Rand zulief. Er sprang, und er trat weiter mit den Beinen, als renne er auf Luft, während er über die Gasse flog. Er erreichte das Dach des Lagerhauses mühelos und landete fast zwei Meter hinter dem Rand.
Er schoss direkt auf eine Mauer zu, wo sich aus dem Dach ein kleineres zweites Stockwerk erhob. Es war zu hoch, als dass er springen und sich am Rand hätte festhalten können. Stattdessen lief er die Mauer so weit er konnte hinauf und stieß sich dann davon ab. Er griff nach den Dachbalken, die aus dem Gebäude ragten, verfehlte jedoch sein Ziel. Seine Finger waren etwa fünfzehn Zentimeter unterhalb des Balkens.
Phantomhände schossen aus seinen Händen und verlängerten seine Reichweite, sodass er den Balken zu fassen bekam. Kylar schwang sich hinauf und landete auf dem gut sieben Zentimeter breiten Balken. Einen Moment lang schwankte er, dann fand er das Gleichgewicht wieder und trat auf das Dach.
Er riss den Arm hoch und stieß einen Jubelschrei aus. Es hatte ihn nur drei Versuche gekostet. Nicht schlecht. Beim nächsten Mal würde er es versuchen, während er unsichtbar war. Er begann zu verstehen, was sein Meister gemeint hatte,
als er ihm erklärte, wie viel er würde lernen müssen, sobald er seine Magie benutzen konnte. Allein der Wechsel von der Benutzung seiner Magie, um zu springen, zur Benutzung dieser Magie, um Phantomhände auszustrecken, war
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