Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)
dreifacher Ausfertigung vorlegen, wenn er aus der Revierkasse auch nur mal eine Packung Kekse bezahlte. »Sie hat jedenfalls nicht funktioniert. Vielleicht waren Sie deshalb so verärgert , wie Sie es ausdrücken.«
Der Mann war hart wie Granit. »Mag sein. Hinzu kam auch noch, dass meine Bank vor dem Zusammenbruch steht.«
»Hm. Sie wissen schon, weshalb Sie hier sind, Mr Stockbridge?« Den eiskalten Scheißkerl daran erinnern, dass er nur Stunden zuvor das Blut eines Menschen vergossen hatte.
Stockbridge legte den Kopf in die Hände. »Sie haben gesagt, er sei tot. Und, na ja, das ist schrecklich … Aber ich sage Ihnen: Als ich gegangen bin, ging’s ihm noch gut.«
»Bei Ihrer Festnahme sagten Sie … Wie war der Wortlaut, DC Jones?«
Sie las es vor: »›Das ist der Typ aus dem Club.‹«
»Genau. Woher wussten Sie das, Mr Stockbridge?«
»Ich habe seinen Namen auf seinem Schreibtisch gesehen, als er mich in sein Büro geführt hat. Er hatte da so ein lächerliches Namensschild.«
»Und das haben Sie sich gemerkt?«
»Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis. Das braucht man in meinem Beruf.«
»Aber vorhin, als Ihre Fingerabdrücke genommen wurden, sagten Sie doch … DC Jones?«
»›Ich glaube, ich habe ihn bloß geschlagen. Ich weiß es nicht.‹«
Stockbridge zuckte mit den Achseln. »Ja … Es ist alles ein bisschen verschwommen. Ich hatte was getrunken. Aber an den Namen erinnere ich mich.«
»So, so.« Hegarty lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Und was ist mit der jungen Dame? War sie auch in dem Club?«
»Charlotte? Ja, sie war auch da.« Stockbridge kniff die Augen zusammen.
Hegarty gab sich Mühe, nicht so auszusehen, als ließe er gerade vor seinem geistigen Auge die Einblicke in ihren Ausschnitt Revue passieren. »Ihre Frau?«
»Verlobte. Die Hochzeit ist nächste Woche.«
Da wäre ich mir nicht so sicher , dachte Hegarty mit einer gewissen Befriedigung.
Keisha
Keisha würde nie das erste Mal vergessen, als sie Chris Dean gesehen hatte. Sie hatte schließlich auch immer noch eine Narbe als Andenken daran, einen kleinen Hubbel seitlich am Knie.
Es war an ihrem ersten Tag auf der Großen-Schule gewesen, der Nobelschule, auf die sie gekommen war, nachdem sie in dem ulkig hallenden Saal oben in Hampstead diese Prüfung abgelegt hatte, und ihre Mum hatte gar nicht mehr aufgehört zu weinen, so glücklich war sie. »Eine Einser-Schülerin, genau wie ich. Damals in Jamaika war ich Klassenbeste. Alle haben gesagt: Dieses Mädchen wird es mal weit bringen.« Natürlich nur, bis sie Keisha bekommen und es dann nicht weiter gebracht hatte, als im Pflegeheim Ärsche abzuwischen. Aber Schulbildung war für Mercy immer noch das Allerhöchste, fast auf einem Level mit dem lieben Gott.
Es war also Keishas erster Tag, und ihre marineblaue Schuluniform war noch ganz neu und steif, und es gab dort asiatische Kinder und weiße und schwarze, und sie war die Einzige, bei der man nicht so recht wusste, was sie war. Sie saß geduckt an ihrem Pult, ihr Geschichtsbuch beim Bild einer Normannenburg aufgeschlagen, als die Tür aufging.
»Vielen Dank, dass du dich doch noch zu uns gesellst. Christopher, nicht wahr?« Die Lehrerin, Mrs Allen, hatte, wie alle Lehrkräfte dort, so einen ganz speziellen sarkastischen Tonfall drauf. Sie war so dick, dass ihr Stuhl viel zu klein für sie war.
»Null Problemo«, erwiderte er in seinem halb irischen, halb Londoner Tonfall, und Keisha hob den Kopf, und als sie ihn erblickte, zuckte unwillkürlich ihr Bein, und ihr Knie knallte gegen das Pult und fing an zu bluten.
»Scheiße!«, sagte sie laut, ehe sie sich zurückhalten konnte, und um sie her breitete sich la-Ola-förmig Gelächter aus. Mrs Allen sagte: »Hüte deine Zunge und versuche doch bitte, nicht gleich schon an deinem ersten Tag Schulmobiliar zu demolieren.«
Keisha sah zu dem Jungen hoch, der zu cool war, um zu lachen. Seine Augen waren so blau, wie sie das im wahren Leben nicht für möglich gehalten hatte, so blau wie die Blaulichter auf den Streifenwagen. Er trug ein Ohr-Piercing, und zwischen seinen Lippen hing eine nicht angezündete Zigarette – und das in der Schule! Er war irisch blass – milchweiß –, dreizehn Jahre alt und damit ein Jahr älter als sie. Und das war’s für sie gewesen, das war gewissermaßen Game Over . Selbst als sie im Jahr drauf beide von der Schule flogen und ihre Mutter wochenlang nicht mehr mit ihr sprach, war Keisha das egal, denn Chris war bei ihr. Er und sie
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