Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)
Mischlings-Freundin gebrauchen, die sein Image ruiniert hätte. Als sie damals da saß und wartete, hatte sie es genau vor Augen, wie es ablaufen würde. Aber dann kam er an diesem Abend doch zurück, mit einem scheußlichen Nelkenstrauß, an dem noch der gelbe Sonderangebots-Aufkleber von Tesco pappte. Und dann lief es ganz gut, eine Zeit lang zumindest. Natürlich nur, bis dann das mit Ruby geschah.
Keisha hörte draußen in der Wohnung ein Geräusch. Auf ihrem Handydisplay sah sie, dass es schon spät war, fast schon Zeit für Loose Women . Sie stand in ihrer »Nachtwäsche« auf, wie Charlotte das nannte, Sport-Shorts und ein Herren-T-Shirt. »Alles klar?« Wenn Charlotte hereinkam, hatte sie immer das Gefühl, dass sie irgendwas aufräumen oder sich anderweitig nützlich machen sollte.
Charlotte lud gerade allen möglichen Kram in die Küchenschränke; sie kam von einem Großeinkauf zurück, und zwar aus dem Waitrose. Das war ganz was Neues. Sie hatte Bananen eingekauft, Brot, Karotten. Richtige Lebensmittel, nicht nur Instantnudeln. »Was ist denn hier los?«
Charlotte zuckte mit den Achseln. »Hast du nicht auch das Gefühl, dass wir seit Wochen nur Schrott essen?«
Keisha aß nie was anderes. »Wo warst du denn heute?«
»Wieder in der Kantine. Aber als Nächstes haben sie was anderes für mich – in einem Obdachlosenasyl. Ich weiß nicht, ob mir das gefallen wird.«
»Das ist schon okay. Und auch besser bezahlt.«
»Ja.« Charlotte drehte sich zu ihr um, eine Schachtel Kekse in der Hand. »Hör mal, ich hab heute DC Hegarty angerufen. Du weißt schon: der Polizist, der Dan festgenommen hat.«
»Oh.« Scheiße, die Polizei. Sie hatte sich schon gefragt, wann das kommen würde.
»Er kommt morgen mal vorbei. Ich habe ihm ein bisschen was davon erzählt, was du rausgefunden hast, über die Geldprobleme des Clubs und so weiter.«
Das erklärte die Einkäufe, und Charlotte sah auch irgendwie verändert aus. Sie hatte sich geschminkt, das war’s. Wimperntusche und Lipgloss.
Apropos: Da sie nachts arbeitete, hatte sie Charlotte diese Woche noch gar nicht groß zu Gesicht bekommen. Dann war das also alles für den Polizisten, diesen nervigen Typen, der Keisha aufgehalten hatte, nachdem die Mädels Charlotte zusammengeschlagen hatten. Sie mochte ihn nicht, seine grünen Augen wirkten, als könnte er glatt durch sie hindurchsehen. »Kommt er morgen Abend?«
Charlotte starrte in einen Küchenschrank. Vielleicht überlegte sie: Wiener Sandwich oder Chocolate Chip Cookies? Sollte sie Keisha vor oder nach den Gurken-Sandwiches dazu bringen, Chris zu verraten? »Hm? Ja, abends.«
»Ach so.« Keisha beherrschte dieses Spiel ebenfalls. »Na, dann bin ich ja wahrscheinlich auf der Arbeit.« Sie setzte sich aufs Sofa, stellte den Fernseher an und legte die Füße auf den Couchtisch. Sie wusste ganz genau, dass das Charlotte gegen den Strich ging.
Charlotte wurde aus ihren Gedanken gerissen. »Was? Nein, du musst hier sein.«
»Wozu brauchst du mich denn? Ihr beide könnt die ganzen leckeren Sachen doch gut alleine futtern.«
Charlotte kam herüber und stellte sich vor den Fernseher. »Das nennst du helfen?«
»Ich hab das mit den Banden und so rausgefunden. Und ich hab dir erzählt, was ich weiß, oder?«
»Hast du das?« Charlotte wurde rot im Gesicht. »Sieh mich an. Ist da noch irgendwas?«
»Nein! Verdammt noch mal, ich versuche hier, Loose Women zu gucken! Und wenn jemand irgendwas weiß, dann doch wohl du.«
»Was soll das heißen?« Jetzt sah Charlotte wütend aus.
»Du musst irgendwas wissen, warum sollte Chris sonst hinter dir her sein? Das ist doch wohl klar wie Kloßbrühe. Wenn du’s mir nur erzählen würdest … na ja, vielleicht könnte man’s dann irgendwie schaffen, dass er uns in Ruhe lässt.« Und Ruby auch.
»Ich erinnere mich an gar nichts mehr, das hab ich dir doch schon gesagt. Ich weiß nicht, was er von mir will. Und wenn du mir wirklich alles gesagt hast, wieso machst du dann keine Aussage? Ich meine, glaubst du etwa, die Gesetze gelten nicht für dich, oder was?«
Keisha stand steifbeinig auf. »Ich bin nicht dumm, verdammt noch mal.«
Charlotte seufzte und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Ich weiß. Darum regt mich das ja so auf. Hast du etwa Angst, dass Chris davon erfahren würde? Also, ich sage dir das nicht gern, aber ich glaube, dafür ist es ein bisschen zu spät.«
Das war nicht fair. Keisha musste sich das nicht bieten lassen. »Du hast mich mit der ganzen
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