Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)
war total lahm und schaute sich die ganze Zeit um, als erwartete sie, dass ihr die Flaschen und Gläser wie von Zauberhand zufliegen würden.
»Hier«, murmelte Keisha manchmal und schob ihr die Minze hin, wenn Rachel mit offenem Mund vor einem Mann stand, der drei Mojitos bestellt hatte (Wichser). Es waren immer die Weißen, die so ein Zeug orderten.
»Mo-was?«, fragte Rachel. Dumme Kuh. Keisha hätte zu gern gewusst, was das für eine Uni war, an der sie angeblich BWL studierte. Soweit sie das mitbekam, hatte diese Rachel nämlich ungefähr den Durchblick einer Flasche Baileys.
Während Keisha arbeitete, behielt Dario/Darren sie die ganze Zeit im Blick – mit seinen Augenbrauen und seinem kleinen Lächeln. Ihm entging nichts. »Wir schneiden die Limetten keilförmig, nicht in Scheiben«, sagte er. »Wir geben das Rückgeld auf einer Untertasse raus. Immer darauf achten, dass genug Wechselgeld da ist.« Ständig hatte er etwas auszusetzen. Sie nahm an, dass er sie auf die Probe stellte, um zu sehen, ob sie irgendwann ausrasten würde, und daher tat sie genau das, was er von ihr verlangte. Auch wenn sie manchmal die Limetten so energisch schnitt, dass tiefe Kerben im Schneidebrett zurückblieben.
Sie blieb am Ball. Nach einer Weile wurde sie besser, Dario ließ sie in Ruhe, beobachtete sie aber weiter und nickte manchmal. Rachel hingegen schien überhaupt nicht besser zu werden. Wenn Dario sie ansprach, weil sie falsch rausgegeben oder ein Mixgetränk verhunzt hatte, wurde sie bockig und schrie: »Hey, ich geb mir Mühe!« Eines Abends drehte sie durch. Sie hatte irgend so einem arroganten Typen Sprite statt Tonic ins Glas getan, und der machte deshalb ein solches Theater, dass Dario kommen und ihn mit ein paar Freigetränken beruhigen musste. »Sorry, Mann. Tut mir echt leid«, sagte er, fügte aber flüsternd hinzu: »Wichser.« – »Rachel, Süße, wir müssen reden«, sagte er. »Ich geh noch mal die Knöpfe mit dir durch.«
»Verdammte Scheiße, das habt ihr mir doch schon fünfmal erklärt«, entgegnete Rachel, den Tränen nah.
»Ja, aber du hast es immer noch nicht kapiert, Süße.«
Ein weiterer Gast kam an den Tresen, ein Schwarzer mit Dreadlocks, und bestellte zwei Corona-Bier. Das war ein Klacks – Keisha hatte die Flaschen geöffnet und die Limettenkeile hineingesteckt, bevor Rachel auch nur wieder an der Kasse war. Doch dann ging der Ärger los. Rachel gab den falschen Preis ein, und die Kasse fing an zu piepen. »Ach du Scheiße, was hab ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht? Wo sind denn die Coronas?«
»Bei den Flaschengetränken!«, rief Keisha und wischte geschmolzenes Eis auf. Das wusste ja sogar sie, obwohl sie gar nicht »an der Kasse ausgebildet« war (was für ein Schwachsinn).
»Was? Wo?« Rachel tippte auf gut Glück auf irgendwelche Tasten. »Mist!«
»Hey, wird das heute noch was?« Die Gäste wurden ungeduldig.
»Hier.« Für Nettigkeiten blieb keine Zeit. Keisha drängte Rachel von der Kasse weg und betätigte die entsprechenden Tasten. »Sieben achtzig, bitte. Vielen Dank.« Sie legte die zwanzig Pence Rückgeld auf eine Untertasse mit einer Cocktailserviette drauf, und der Mann nahm die Münze. Das war nur fair, sie hätte es auch nicht anders gemacht. Sieben Pfund achtzig für zwei Bier: Das war kriminell.
Dario hatte die ganze Szene mit angesehen. »Also gut, Miss Keisha Topchecker, du übernimmst die Kasse. Rachel, Süße, du gehst nach hinten und machst dir das Gesicht sauber.«
Als sie Pause hatte, ging Keisha nach hinten in den Personalraum. Rachel lag zusammengerollt auf dem Sofa, ein Taschentuch in der Hand.
»Ganz schöne Schufterei«, sagte Keisha. Sie war verschwitzt. »Alles klar mit dir?«
Rachel schniefte laut. »Ich hasse das, weißt du. Ich will ’ne Studentin sein und ’ne eigene Wohnung haben und nicht die ganze Nacht Bier servieren. Und manche von diesen Kunden sind echt voll die Wichser.«
»Ja, das sind sie.«
»Es ist bloß … Ich bin so mies da drin, und ich hasse es, und dann kommst du daher, und du hast das voll drauf, obwohl du gerade erst hier angefangen hast.«
Keisha war danach, mal nett zu sein. »Na ja, ich mach solche Scheißjobs, seit ich vierzehn war. Ich hab in Lebensmittelläden gearbeitet, bei Mackie D’s, in ’nem Pflegeheim – und nach ’ner gewissen Zeit hat man da einfach den Bogen raus.« Sie sah, dass Rachel wieder angefangen hatte zu weinen. »Wenn dir das alles nicht passt, kannst du’s dann nicht einfach
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