Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)
Sache überfahren! Kaum steh ich auf, kaufst du schon extra Kekse für den Kerl! ›Oh, Officer, möchten Sie noch eine Tasse Tee?‹ Man könnte ja glauben, du stehst auf den Kerl.« Scheiße, sie konnte nicht mit den Bullen reden. Was, wenn der Typ sie gleich mitnehmen würde? Wer würde Chris dann daran hindern, sich an der Kleinen zu vergreifen?
Charlotte atmete tief durch. »Du kannst mich echt mal kreuzweise, ja?«
Schweigen. Charlotte ließ sich aufs Sofa sinken und rang die Hände. »Das hab ich nicht so gemeint. Es ist bloß … Ich kann so nicht weitermachen. Ich habe seit Wochen nichts mehr von Dan gehört. Ich weiß nicht mal, ob … Schau mal: Das kam vor ein paar Tagen.« Sie warf einen Brief auf den Tisch. »Er geht da drinnen vor die Hunde, damit du’s nur weißt. Lies das mal. Jemand hat ihn zusammengeschlagen.«
Keisha würdigte den Brief keines Blickes. »Tja, wie dem auch sei. Ich muss los. Du wolltest doch, dass ich in diesem Club arbeite, schon vergessen? Dass ich da Sachen für dich rausfinden soll?«
Charlotte legte den Kopf in die Hände. »Mach, was du meinst.«
Als sie sich dann im Bad zurechtmachte, machte Keisha so viel Lärm, wie sie nur konnte. Sie langte bei Charlottes parfümiertem Jo-Malone-Zeugs ordentlich zu, von dem die Flasche mindestens fünfundzwanzig Pfund kostete. Kriminell. Dann ging sie hinaus, wobei sie Charlotte, die immer noch auf dem Sofa saß, nicht beachtete, und knallte die Wohnungstür hinter sich zu. Sie war so wütend, dass sie fast vergaß, ins Gebüsch zu linsen, falls sich da jemand versteckte. Und während sie zur Bushaltestelle stapfte, wurde sie mit jedem Schritt noch wütender. Die verdammte Charlotte. Sie hatte ihr ausdrücklich gesagt, dass sie nicht mit der Polizei reden wollte – wo die ihr doch sowieso nicht glauben würde, wo sie keinerlei Beweise hatte, wo Chris immer noch irgendwo in der Nähe war und wo er – hallo – ja wohl kaum begeistert wäre, wenn sie ihn an die Bullen verpfiff, verdammt noch mal! Charlotte war manchmal so unglaublich dumm, als käme sie von einem anderen Planeten, auf dem die Polizei tatsächlich dein Freund und Helfer war. Keisha war heilfroh, dass sie ihr das mit der Tür nicht erzählt hatte. Warum sollte sie auch? Sie musste auf sich selbst aufpassen – und auf ihr Kind.
Der Bus kam, und Keisha stieg ein und warf dem Fahrer einen Blick zu, der ihn geradezu herausforderte, Stunk zu machen. Na? Na? Aber der sah sie nicht mal an. Na ja, was soll’s, scheiß drauf. Sie schwang sich auf einen der hinteren Sitze, drehte an ihrem Handy die Musik voll auf und sah sich um, ob nicht vielleicht eine von den alten Schachteln ihr auf die Schulter tippen und sagen wollte, sie könnte das aus den Kopfhörern mithören, so laut wäre das, und ob sie die Musik nicht ein bisschen leiser stellen könnte, denn sie wollte ja wohl nicht den ganzen Bus beschallen, oder?
Sie war immer noch stinksauer, als sie in den Club kam, stieß die Tür des Personalraums auf und warf ihre Jeansjacke über einen Stuhl.
»Freut mich auch, dich zu sehen, Keisha.« Ronald war schon da, saß in seinem Büro auf der anderen Seite des Korridors wieder mal vor dem Computer.
Sie zog sich ihr Club-T-Shirt an und stapfte anschließend zu ihm rüber. »Und? Was soll ich heute machen? Soll ich hinten bleiben und Flaschen schleppen, damit ich die Gäste nicht erschrecke? Ach, die Armen, es ist ja so eine Tragödie, wenn sie Diet Tonic bestellen und normales Tonic kriegen …« Sie stürmte los und schimpfte dabei weiter vor sich hin. Sie wollte Dario suchen, damit er sie für den Abend einteilte, aber Ronald rief ihr nach: »Hey, komm mal rein.«
»Da rein?« Sie blieb im Türrahmen stehen. Der Raum war zwar gründlich gereinigt und frisch gestrichen, aber sie konnte nicht mal daran vorbeigehen, ohne an all das Blut zu denken, das auf diesem Boden vergossen worden war.
»Ja. Und mach die Tür zu.«
War sie gefeuert? »Hör mal, ich hab das nicht so gemeint. Ich werd ab jetzt netter sein, ehrlich, versprochen.«
Ronald sah nicht von seinem Bildschirm auf. »Gut zu wissen, Keisha. Dann wirst du die Gäste also nicht mehr verdammte Arschlöcher nennen?«
Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er ihre Schimpfkanonade im Personalraum mitbekommen würde. »Äh, nein.«
Ronald sah sie an. »Rachel hat gesagt, du warst in dieser Nacht hier. In der Nacht, in der mein Bruder ermordet wurde. Sie hat gesagt, du warst mit einem Weißen hier, der was
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