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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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mir endlich, was es mit diesem Boliden.«
    Aber wieder wurde er unterbrochen. Aurelhomme nahm ihn mit einer freundschaftlichen Geste am Arm. »Machen Sie sich keine Sorgen, Monsieur Bracke. Ich sagte Ihnen schon, daß es sich um keine Ablösung handelt. Schesternjow wird Ihnen alles erklären.« Er zog ihn weiter den Gang entlang.
    Als sie vor der Tür des Büros ankamen, das ein kleines Schild als den Arbeitsraum Schesternjows auswies, trat Lupatzki heraus. Er grüßte Aurelhomme flüchtig und trat dann auf Bracke zu. Kräftig schüttelte er ihm die Hand.
    »Mach's gut!« schnarrte er mit strahlendem Gesicht. »Ich fliege morgen zurück zur Luna. Dir aber gratuliere ich von ganzem Herzen.«
    Bracke begriff überhaupt nichts. Lupatzki flog morgen schon zurück? Und was wurde mit ihm, mit Wolfram Bracke? War er nun abgelöst oder nicht? Und was sollte diese laute Gratulation? Er konnte sich keinen Reim auf das alles machen.
    Mit einer entschlossenen Bewegung griff er zur Türklinke und trat ein. Hinter ihm auf dem Gang stand Aurelhomme mit verdutztem Gesicht.
    Bracke stutzte. Der schwere Ledersessel vor dem Schreibtisch des Alten, auch im Reg-Rat Nord wurde der Chef nicht anders bezeichnet als in den meisten Dienststellen, war leer.
    Romuald Schesternjow stand am Fenster und blickte auf die Newa hinaus. Nicht anders, als Aurelhomme es noch vor wenigen Sekunden vom Gang aus getan hatte. Aber sein Blick schien in weite Ferne zu gehen, bestimmt aber weiter als bis zu der träge flatternden Rauchfahne über der »Aurora«. Auf Schesternjows Glatze spiegelte sich die Sonne. Er hatte eine kräftige, untersetzte Figur und trug einen gut sitzenden Anzug. Der Mann paßte zweifellos in dieses sachliche und saubere Zimmer. 
    Als er sich ihnen zuwandte, sah Bracke, daß er ein gütiges und beherrschtes Gesicht hatte. Jede seiner Bewegungen strahlte Ruhe und Sicherheit aus, selbst dieses langsame Wenden des Kopfes.
    »Lassen Sie Jean mit herein, Bracke«, sagte er und deutete mit dem Kinn auf einen Sessel.
    Jetzt erst merkte Bracke, daß Aurelhomme immer noch auf dem Gang stand, blockiert von seinem breiten Kreuz. Er setzte sich und beobachtete Schesternjow, der mit kurzen Schritten an seinen Schreibtisch trat, um ein Telex aufzunehmen, das er ihm wortlos herüberreichte. »Lesen Sie das, Bracke! Und sagen Sie mir, was Sie davon halten!«
    Beim Überfliegen des verhältnismäßig kurzen Textes hatte Bracke plötzlich das Gefühl, als schnüre ihm etwas Ungeheuerliches die Kehle zu. Er versuchte seine Gedanken zu ordnen und fühlte doch, daß es ihm nicht so bald gelingen würde.
    Das, was hier stand, schilderte, vorausgesetzt, es entsprach den Tatsachen, eine einmalige, eine gewaltige Sensation. Bracke ahnte Zusammenhänge, ohne sie definieren zu können.
    Auf dem Lake North in der amerikanischen Region war ein unbekanntes Objekt von linsenförmiger Gestalt mit einem Durchmesser von etwa dreißig Metern aufgetaucht, dessen Herkunft sich niemand erklären konnte.
    Gab es hier tatsächlich Zusammenhänge mit dem Boliden? Aber der Bolide mußte einen Durchmesser von mindestens sechshundert Metern gehabt haben.
    Er versuchte sich zu ruhiger Überlegung zu zwingen. Bestimmt gab es Zusammenhänge, mußte sie geben. Langsam nahmen seine Gedanken klarere Gestalt an. Und dann glaubte er plötzlich die einzig mögliche Lösung gefunden zu haben. Er zuckte zusammen, als er wie von fern, mitten in seine Überlegungen hinein, Schesternjows Frage hörte: »Was halten Sie davon, Bracke?«
    Er öffnete den Mund zur einzig möglichen Antwort, aber er bezwang sich. Langsam hob er die Schultern. 
    »Ich weiß nicht«, murmelte er. »Es könnte Zusammenhänge mit dem von uns beobachteten Boliden geben, aber das ist bisher nur eine vage Vermutung.«
    Schesternjow lächelte. »Sie sind ein vorsichtiger Mann, Bracke, und das ist gut so. Auch ich habe eine Vermutung. Und auch ich möchte sie nicht äußern, weil sie mir viel zu ungeheuerlich erscheint. Aber es ist die gleiche, zu der auch Sie gelangt sind.«
    Bracke wußte, daß sein wechselnder Gesichtsausdruck von diesem Mann vor ihm sehr genau beobachtet worden war. Er fühlte sich durchschaut.
    Schesternjow wandte sich an Aurelhomme: »Jean! Ihr fliegt sofort. Ihr werdet eine Gruppe bilden, die aus dir, Kollegen Bracke, Karin Bachfeld und dem Sprachwissenschaftler Horst Laurentz besteht.«
    Aurelhomme lächelte. Nicht mit dem ganzen Gesicht. Nur seine Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen

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