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Am Schwarzen Berg

Am Schwarzen Berg

Titel: Am Schwarzen Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Katharina Hahn
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Jetzt hatte er Emil entdeckt und winkte mit dem Hut in der Hand zu ihm hinüber. Emil hob grüßend die Rechte. Auch die junge Frau blickte zu ihnen hinüber, bog sich Otto entgegen, der ihr etwas zuflüsterte. Das Lächeln, das sie Emil schickte, war reizend, leer und frei von jeglichem Wiedererkennen. Veronika und Emil waren vor sechs Jahren auf Ottos Hochzeitsfeier gewesen. Seiner dritten, wie Veronika spöttisch bemerkt hatte. In der Alten Kanzlei war die Braut verlegen errötet, als Otto über der Bouillon Klopstocks ›Rosenband‹ rezitiert hatte.
    Emil verneigte sich kurz in Richtung der jungen Frau am anderen Ufer des Seerosenteichs. Wie hieß sie nur? Er legte Peter den Arm um die Schultern und zog ihn mit sich fort.
    Emil hatte nur noch eines im Sinn – schnell aus dem Zoo heraus und in die ›Schlange‹. In dem kühlen Gewölbe wollte er Trost finden, er und Peter mit ihm. Emil konnte sich nicht vorstellen, auf welche Weise das geschehen sollte, aber er war sich sicher, daß alles gut werden würde, wenn sie nur dort säßen und ihre Viertelesgläser mit den grünen Henkeln vor sich stehen hatten, während die vertrauten Gesichter von der Holzwand herunterblickten. Er wollte sich unter den schwarzen Linien zusammenkauern, mit denen die unterschiedlichen Schöpfer der Zeichnungen jedes Antlitz zu einem Freund gemacht hatten, einem guten, mit allen Seelenregungen seines Gegenüber vertrauten Freund. Vor diese Schar der Getreuen mit Peter hinzutreten und ihre Hilfe zu erflehen, war Emils eigentliches Ziel.
    Im Wilhelma-Parkhaus blieb er eine Weile hinter dem Steuer sitzen. Mit dem Zeigefinger fuhr er die silbernen Kreise in der Lenkradmitte nach. Die Flasche unter seinem Sitz war fast leer. Er trank sie hastig aus. Der warme Alkohol schmeckte widerlich, aber er fiel mit ätzender Schärfe über den Knoten in seiner Brust her und löste ihn auf. Peter war unter dauerndem Gemurmel neben ihm eingenickt. Als sich die Reihen ringsum geleert hatten, Benzingeruch zu ihm hereinstieg und nur noch die weißen Streifen der Parkplatzbegrenzungen auf dem Boden zu sehen waren, ließ Emil den Wagen an. Fast elegant nahm er die Kurven, mußte sich auch nicht peinlich aus dem Fenster hängen, als er den Parkschein in den Automatenschlitz steckte. Die Schranke hob sich langsam. Das beruhigte Emil. Wenn der Parkschein noch gültig war, konnte er nicht allzulange fassungslos herumgesessen haben.
    Sicher steuerte Emil durch den Berufsverkehr. Als am Olgaeck die grünspanige Dachkuppel der Technischen Oberschule aus dem abendlichen Dunst auftauchte, riß er, ohne den Winker zu setzen, das Steuer herum. Zwischen zwei vertrockneten Rasenstücken bog er rechts ein und stellte den Wagen in der Alexanderstraße ab.
    Über die Lorenzstaffel stolperten sie auf die Olgastraße hinunter. Emil zog Peter hinter sich her. Vor der Katharinenkirche standen Rosen- und Holunderbüsche im ungemähten Gras. Der Christopherus im Wandmedaillon trug schwer an seinem Jesuskind, das mit der Weltkugel in der Hand auf dem breiten Rücken des Riesen thronte. Hinter dem Schellenturm schob Emil seinen Begleiter über den Gehweg, vorbei an den angeketteten Olivenbäumen vor dem Schaufenster des Blumenhändlers. Peter blieb vor einer Schale mit gelbblühender Fetthenne stehen. Das Zeug wuchs im Etzelweg aus allen Mauerritzen. Er bückte sich, um die saftstrotzenden, rosigen Blattspieße zu berühren. Eine junge Frau in erdbeschmierter Schürze trat aus dem Laden und sagte »Bitte nichts anfassen«, worauf er sich wortlos abwandte und weiterschlich. Emil hätte die Floristin am liebsten durch die Scheibe gestoßen, nur weil sie unwissentlich einen der wenigen Momente zerstörte, in denen Peter von sich aus Interesse an etwas zeigte. An der Bushaltestelle der Linie 43 blieb Peter stehen und zeigte auf ein Geschäft an der gegenüberliegenden Straßenseite. »Da wollten Ivo und Jörn immer hin.« »›Pappnase und Co.‹«, las Emil. »Sie wollten Fingermonster, Glibbermasse, Jonglierbälle.« »Gehen wir rüber, kaufen wir ihnen ein Paket von dem Zeug. Wenn du sie siehst, kannst du sie damit überraschen.« Emil erschrak über den kieksenden Ton, den die künstliche Munterkeit seiner eigenen Stimme verlieh. Peter wandte sich ab. »Ich könnte den ganzen Laden leerkaufen. Sie würden von mir nicht mal einen Kaugummi annehmen.« Er lehnte sich an die Hauswand. Der Bus hielt, Menschen drängten sich an ihnen vorbei. Aus dem Lokal weiter vorne kam der Duft von

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