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Am Schwarzen Berg

Am Schwarzen Berg

Titel: Am Schwarzen Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Katharina Hahn
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undurchdringliche Miene und die Zunge, die fortwährend über die aufgesprungenen Lippen fuhr, hielten Emil davon ab, ins nächste Haus zu stürzen und nachzufragen, was hier vorging. Auch war die Kanalstraße an diesem Abend vollständig tot. Von der Planie her dröhnte der Verkehr, ihr Hinweg war voll drängelnder Menschen gewesen. Hier gab es nur Peter, der mit den Schultern zuckte. Sie drehten um und schlichen in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Neben dem Kiosk am Olgaeck leuchtete ein grünes Schild: ›Bülbül-Döner‹. Emil ging darauf zu und hielt Peter die Tür auf. Sie setzten sich an einen Fenstertisch.
    Peter rührte seinen Döner nicht an. Er zupfte die violetten Kohlschnipsel aus dem Fladenbrot und legte sie sorgfältig nebeneinander auf dem Tellerrand ab, bis er aussah, als wüchsen ihm Fransen. »Mir wird schlecht, wenn ich das nur rieche. Ich habe dir doch gesagt, daß ich nichts will.« Dafür trank er reichlich. Emil hatte ihm in einem Moment der Sentimentalität Sprite bestellt – ein Peterle-Getränk, das im Arzthaushalt tabu gewesen war und deshalb bei den Bubs als nie versiegender Quell sprudelte. Die Flasche war mit Kondenswasserperlen bedeckt, die unter Peters Fingern zerflossen. Emil selbst trank Rotwein. Zwischendurch stopfte er sich Fleisch und Weißbrot in den Mund. Er schlang. Die ungekauten Brocken glitten schmerzhaft durch den Schlund und wurden von der Speiseröhre widerwillig weggepreßt. Obwohl er sich krümmte, konnte er nicht aufhören. Deine Esserei wird dich noch umbringen! Er hörte Veronikas Stimme in seinem Kopf, diese Mischung aus Nörgelei und Besorgnis. Emil leckte sich die Soße von den Fingern und sah aus dem Lokal nach draußen auf die Charlottenstraße. Die Sonne stand schon tief. Der Himmel über den Dächern, das bunte Blech der vorbeifahrenden Autos und die sommerliche Kleidung der Passanten wirkten wie ausgewaschen. Eine Männerstimme sang sanft und traurig aus den Boxen von der Decke. Schwerer Bratdunst erfüllte den Raum und vermischte sich mit dem scharfen Geruch frisch geschnittener Zwiebeln. Durch die Tür wehten Abgase herein.
    Immer neue Männer kamen aus dem Porno-Kino nebenan. Die meisten blieben kurz auf den Stufen stehen, die aus dem Foyer auf den Gehweg hinunterführten, und sahen sich verwirrt um. Manche blickten auf ihre Armbanduhren oder Telefone, als wären sie überrascht von der Länge der Zeit, die sie in den klimatisierten Räumen verbracht hatten. Sie stierten auf die gelben Wagen der Stadtbahn, die in einer weiten Kurve die Alexanderstraße hochzockelte, auf die blauen Leuchtbuchstaben des Hotels ›Espenlaub‹ gegenüber, als entstammte dies alles nicht ihrer eigenen Gegenwart, sondern einer beunruhigenden Zukunft. Viele entschlossen sich erst dazu, den Imbiß zu betreten, nachdem sie die Farbaufnahmen von Fleischgerichten und Teigtaschen draußen auf der Scheibe betrachtet hatten.
    Weil Peter so durstig war, stellte sich Emil wieder an den Tresen und verlangte zwei weitere Flaschen Sprite. Er sah das spiegelnde schwarze Haar des jungen türkischen Kellners, seine langen Wimpern, die Schönheit der von hervortretenden Sehnen geschmückten Arme und die abgrundtiefe Verachtung in seinen Augen. Oder war das nur Einbildung? Die erschöpften Besucher des Sex-Kinos mußten mit Essen und Trinken versorgt werden, um wieder in der Realität anzukommen. Nein, der Blick des Kellners war voller Liebe und Begeisterung. Geschmeidig bückte er sich, baute die Flaschen mit leisem Klirren auf und füllte Emils Glas erneut. Die dunkle Flüssigkeit zitterte unter dem fettigen Lippenabdruck am Rand. Wohlwollend blickte der junge Mann zur Tür, durch die wieder eine neue Gruppe hereinkam. Jetzt lächelte er, hob grüßend den Arm. Emil war erleichtert, daß er sich nicht getäuscht hatte. Seit den Ereignissen in der Wilhelma zweifelte er ernsthaft an seiner Wahrnehmung. Vorsichtig ging er zurück zum Tisch. Den Stiel des Glases hielt er zwischen zwei Fingern. Mit der anderen Hand umklammerte er die glitschigen Flaschenhälse.
    Als Peter nach dem Weinglas griff und es in einem Zug leerte, zuckte Emil zusammen. »Peter, ich bitte dich!« Peter wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Der Wein hatte Lippen und Zähne blau eingefärbt. »Mach dir keine Gedanken.« Langsam stand er auf und ging nach vorne. Der junge Türke führte ein elektrisches Messer an dem schon sichtlich verkleinerten Döner entlang, der sich langsam drehte. In

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