Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Schluck.
    »Was ist? Glaubst du nicht, daß sie mir das Geld gibt?«
    »Es ist die Frage, ob sie überhaupt Geld hat, das sie dir geben könnte.«
    Jo Lynn sprang auf. Heißer Kaffee schwappte aus ihrem Becher über ihre Hand. Sie schien es gar nicht zu merken. »Was soll das heißen? Natürlich hat sie Geld.«
    »Das meiste ist verbraucht«, versuchte ich zu erklären. »Den Rest werden wahrscheinlich die Arztkosten auffressen.«
    »Das ist wieder typisch. Warum konnte sie nicht einfach sterben?«
    »Jo Lynn!«
    Sie begann hin und her zu laufen, drehte kleine Kreise zwischen dem Tisch und der Anrichte. »Ach, verschon mich mit deiner moralischen Entrüstung. Du kannst mir nicht vormachen, daß du den Gedanken nicht auch schon gehabt hast.«
    Ich wollte protestieren und tat es nicht. In den letzten Wochen hatte es tatsächlich immer wieder Momente gegeben, in denen ich gedacht hatte, der Tod wäre das freundlichere Schicksal für uns alle gewesen.
    »Was ist mit dir und Larry?«
    »Bitte?«
    »Du hast gesagt, ihr würdet mir das Geld leihen und ich könnte es später zurückzahlen, wenn ich verdiene. War das ernst gemeint?«
    Ich zögerte.
    Sie ging sofort auf mich los. »Ah ja, es war nur so dahingesagt, damit du dir hilfreich und gut vorkommen kannst, aber du denkst überhaupt nicht daran, es wirklich zu tun.«
    »Das ist nicht wahr.«
    »Also, leihst du mir das Geld? Ja oder nein?«

    »Moment mal!« sagte ich. »Müssen wir das so überstürzen? Warum hast du es plötzlich so eilig?«
    »Warum nicht? Ich möchte loslegen.«
    »Mir kommt das alles so unüberlegt vor«, entgegnete ich.
    »Ich verstehe nicht, was es da groß zu überlegen gibt. Du hast doch den Vorschlag gemacht, daß ich Jura studieren soll. Und jetzt setze ich ihn um. Ich dachte, du würdest dich freuen. Endlich fang ich mal was Richtiges an. Oder liegt da vielleicht der Hund begraben? Hast du dich in deiner Rolle als die allmächtige ältere Schwester so gemütlich eingenistet, daß du gar nicht willst, daß ich auch mal was gut mache?«
    Ich kippte den Rest meines Kaffees hinunter und verbrannte mir die Kehle. Wieso sprachen wir plötzlich von mir? »Hör mal«, begann ich, »du hast mich kalt erwischt. Es ist jetzt kein besonders günstiger Moment, mich um einen Gefallen zu bitten. Laß mir ein paar Tage Zeit. Ich werd mit Larry reden, sobald sich die richtige Gelegenheit bietet.«
    »Ach, was soll der Quatsch? Du weißt doch genau, daß sich die richtige Gelegenheit nie bieten wird.« Im nächsten Moment war Jo Lynn auf dem Weg zur Haustür. »Ich versteh das nicht«, sagte sie, hilflos mit den Armen wedelnd. »Ich meine, was willst du denn eigentlich von mir?«
    Sie knallte die Tür zu.

27
    »Ich fahre vielleicht nächste Woche nach South Carolina«, sagte Larry, als wir Seite an Seite im Bett lagen, ohne einander zu berühren, die Hände auf unseren Bäuchen gefaltet, den Blick zum Ventilator erhoben, der sich leise surrend über uns drehte.
    »Um deine Mutter zu besuchen?«
    »Ja, und um Golf zu spielen. Mein Bruder hat angerufen und mich, das heißt uns , für ein paar Tage eingeladen.«

    »Ich kann nicht fahren«, sagte ich rasch.
    »Ich habe ihm schon gesagt, daß du wahrscheinlich nicht kannst.«
    »Der Zeitpunkt ist schlecht«, erklärte ich. »Es ist einfach zuviel los.«
    »Ja, das hab ich ihm auch gesagt.«
    Ich hörte die Enttäuschung in seiner Stimme, ging aber nicht darauf ein. »Aber fahr du ruhig. Du hast deine Familie ja lange nicht gesehen. Und deine Mutter freut sich bestimmt.«
    »Ja, ich denke, ich werde fahren«, sagte er nach einer Pause.
    »Es tut dir bestimmt gut«, meinte ich. »Hast du mal über Jo Lynns Bitte nachgedacht?«
    »Nein.«
    »Und wirst du’s dir überlegen?«
    »Nein.«
    »Findest du das nicht ein bißchen kurzsichtig?«
    »Nein.«
    Ich holte tief Atem und ließ die Luft langsam wieder entweichen, lauter als notwendig.
    »Hör zu, Kate. Nach dem letzten Stückchen, das sich deine Schwester da erlaubt hat, denke ich überhaupt nicht daran, ihr so einen Geldbetrag zu geben.«
    »Es ist doch kein Geschenk. Es ist ein Darlehen.«
    »Na klar. Als ob sie allen Ernstes ein fünfjähriges Studium durchziehen würde! Als ob ich mein Geld wiedersehen würde!«
    »Natürlich wäre es ein Risiko«, stimmte ich zu, »und im ersten Moment hab ich den Gedanken auch lächerlich gefunden, aber dann hab ich ein bißchen eingehender darüber nachgedacht und bin zu dem Schluß gekommen, daß es vielleicht doch nicht so

Weitere Kostenlose Bücher