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Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Titel: Am Sonntag blieb der Rabbi weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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spricht dein alter Freund Kevin O’Connor!»
    «Ach, du bist’s …» Hugh Lanigan, der Polizeichef von Barnard’s Crossing, mochte es nicht, wenn ihn jemand mit ‹ Hughie› anredete. Und Kevin O’Connor, den Polizeichef der Nachbargemeinde Lynn, mochte er auch nicht besonders; sein übertrieben irisches Getue ging ihm auf die Nerven. Kevin war in Amerika geboren, und der irische Akzent war einfach billige Schauspielerei.
    «Du kommst doch zum Frühjahrsball der Polizei, Hughie, nicht wahr?»
    «Weiß noch nicht.»
    «Ich hätte dich gern auf meiner Liste. Ich bin im Komitee und möchte einen guten Eindruck machen. Viele Karten verkaufen und so.»
    «Ich melde mich bei dir, falls ich komme.»
    «Du brauchst das Formular nicht einzusenden, Hughie …»
    Lanigan bemerkte amüsiert, dass der irische Akzent allmählich schwand.
    «… Ruf mich einfach an, und ich setz deinen Namen auf die Liste. Das Geld kannst du mir später geben. Hat keine Eile.»
    «In Ordnung, Kevin.»
    «Ach, sag mal …»
    Aha. Natürlich kam noch etwas.
    «Sag mal, kennst du zufällig einen gewissen Paff? So ’ne jüdische Type. Soll in eurem Nest wohnen.»
    «Meyer Paff?»
    «Richtig.»
    «Ja, den kenne ich», antwortete Lanigan vorsichtig. «Was willst du über ihn wissen?»
    «Na, das Übliche … Hat er Dreck am Stecken? Hast du schon mit ihm zu tun gehabt? Dienstlich, meine ich.»
    «Er ist ein angesehener Bürger. Hat nie Scherereien mit der Polizei gehabt … Was sollte er denn angestellt haben?» Lanigan kritzelte den Namen auf einen Notizblock.
    «Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass er hier eine große Kegelbahn besitzt.»
    «Er besitzt ein halbes Dutzend Kegelbahnen in der Gegend», entgegnete Lanigan.
    «Ja, überall – außer in Barnard’s Crossing.» Es klang wie ein Vorwurf.
    «Stimmt. Wir haben hier keine. Aber die von Salem tut’s auch … Was ist denn in eurer Kegelbahn los?»
    «Ach, wir haben ein paar Schulkinder erwischt – Marihuana. Und die treiben sich ständig in der Kegelbahn rum.»
    «Willst du sagen, dass Paff mit dem Zeug handelt?» Lanigan strich den Namen auf dem Block durch. «Kann ich mir nicht vorstellen bei ihm … Ganz abgesehen davon, dass er in der jüdischen Gemeinde eine große Rolle spielt.»
    «Also, Hughie, das ist doch kein Alibi.»
    «Nein … Weißt du was? Ich geh der Sache mal nach – wenn ich mal nichts Gescheiteres zu tun habe.»
    «Mach du nur deine Witzchen … Habt ihr gar keinen Ärger damit?»
    «Mit Marihuana? Gott – hin und wieder mal», sagte Lanigan vorsichtig. «Kommt offenbar aus Boston, das Zeug.»
    «Also – wenn du irgendetwas über diesen Paff hörst … Ruf mich gleich an, ja?»
    «Na sicher doch, Kevin m’boy !» Lanigan knallte den Hörer auf die Gabel und starrte das Telefon einen Augenblick lang zornig an. Dann lachte er auf.
9
    «Das war eine hübsche Predigt, Ted», bemerkte Meyer Paff.
    Die meisten Leute hatten die Synagoge bereits verlassen und strömten zum Gemeindesaal hinunter, wo ein Imbiss serviert wurde. Paff hatte sich im Mittelgang aufgepflanzt und auf Brennerman und Gorfinkle gewartet.
    «Hat sie Ihnen wirklich gefallen?», fragte Brennerman eifrig – eine Spur zu eifrig.
    «O ja – und wie!», knurrte Paff in seinem tiefen Bass. «Die ganze Zeit hab ich gedacht: Da zahlen wir dem Rabbi ein Bombengehalt – wofür eigentlich? Doch damit er Predigten hält, nicht wahr? Den übrigen Kram – die kurzen Bar-Mizwah- Ansprachen, die Trauungen, die Krankenbesuche –, das alles könnte der Kantor ebenso gut. Oder der Gemeindevorsteher … Hauptsache sind wirklich die Predigten. Und jetzt kommen Sie und beweisen, dass irgend so ein junger Spund das ebenso gut kann.»
    «Also, Moment mal …»
    «Das ist kein Ort zum Streiten, Meyer», sagte Gorfinkle halblaut.
    «Wer streitet denn?», gab Meyer Paff zurück. Die wenigen Leute, die sich noch im Raum befanden, blieben stehen und horchten auf. «Ich würde niemals in einer Synagoge streiten. So bin ich nicht erzogen worden. Ich würde auch nie von der Kanzel herab ein Gemeindemitglied beleidigen.»
    «Beleidigen? Wer ist da beleidigt worden?»
    «Na, vielleicht Dr. Edelstein. Er ist dagegen, dass in der Synagoge Politik getrieben wird. Und wahrscheinlich hat er’s nicht gern, wenn man ihn als Götzendiener hinstellt … Er hat sich immer für einen guten Juden gehalten. Er hat die Synagoge mit begründet und hat sich mit Geld und Arbeit für sie eingesetzt. Und mein Freund Irving Kallen zum Beispiel – er

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