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Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Titel: Am Sonntag blieb der Rabbi weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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zu. Er ist ihr Liebling – der Älteste …» Wieder schüttelte er den Kopf. «Ich hab ihm vorgeschlagen, bei mir das Handwerk zu lernen. Aber er sagt, da schaut kein Geld raus. Heutzutage gibt’s nur eins, um Geld zu verdienen, sagt er, man muss sein eigener Herr sein. Sportmanager will er werden … Ich sag Ihnen, Rabbi, dieses College hat meinen Jungen verdorben. Wenn meine Frau nicht wäre, ich hätt ihn schon aus dem Haus gejagt.»
    Er richtete sich auf und sah sich im Zimmer um. «So, hier hätten wir’s … Hat ein bisschen länger gedauert, als ich dachte. Heute werd ich nicht mehr fertig mit den anderen Räumen – aber keine Angst; wenn ich was angefangen hab, mach ich’s auch zu Ende.»
    «Richten Sie sich’s ein, wie’s am besten passt», sagte der Rabbi und sah ihm zu, wie er seine Werkzeuge sorgfältig in der Kiste verstaute. «Ich erwarte heute Nachmittag ohnehin den Besuch von ein paar jungen Leuten.»
    «Dann komm ich also morgen oder Dienstag, je nachdem.»
    «Schön, Mr. Carter. Wann immer Sie Zeit haben.»
16
    «Dann hat er gesagt: ‹Ich werde jetzt Listen mit den Namen der neuen Kommissionsmitglieder verteilen; nehmen Sie sie mit nach Hause und studieren Sie sie in aller Ruhe. In der nächsten Sitzung – das ist in drei Wochen – wollen wir dann über die Vorschläge abstimmen und sie definitiv bestätigen.)» Malcolm Marks hatte unwillkürlich den Tonfall des Gemeindevorstehers imitiert; jetzt sprach er normal weiter. «Er verteilt also diesen vervielfältigten Wisch, und ich beobachte Meyer Paff. Er liest die Liste; sein Zeigefinger wandert über die Seite, und dann kommt er zur Ritualkommission und liest den Namen Epstein … Also, ich habe gedacht, jetzt trifft ihn der Schlag!»
    «Warum denn?», fragte seine Frau. «Es muss ihm doch klar gewesen sein, dass ihn Ben Gorfinkle nicht wieder vorschlagen würde.»
    «Natürlich.» Marks machte aus seiner Ungeduld kein Hehl. «Aber ausgerechnet Roger Epstein!»
    Das Telefon schrillte. «Ich geh schon!», rief ihre Tochter Betty aus dem Nebenzimmer. Und einen Augenblick später: «Es ist für mich.»
    «Was gibt’s denn an Roger Epstein auszusetzen?»
    «Gar nichts, als Mensch. Im Gegenteil; er ist ein richtiger Idealist – so einer, der immer die Sorgen der ganzen Welt auf seinen Schultern trägt … Aber hier geht’s um die Ritualkommission! Bei jedem anderen Ausschuss hätte kein Mensch etwas gegen Roger einzuwenden. Aber für die Ritualkommission genügt es noch nicht einmal, genau genommen, dass einer religiös ist, den Sabbat hält und koscher isst; er muss sich überdies auch in rituellen Fragen auskennen – er muss sozusagen ein zweiter Rabbi sein … Zugegeben, wir haben nicht viele von der Sorte. Höchstens Jake Wasserman; sonst fällt mir im Moment keiner ein.»
    «Na, aber wenn ohnehin keiner die Voraussetzungen erfüllt, dann kann’s doch ebenso gut Roger Epstein sein.»
    «Es ist ja nicht so, dass keiner dazu fähig ist. Ich meine nur, wenn man schon keinen hat, der wirklich für das Amt geeignet ist, sollte man einen nehmen, der zumindest nach außen hin okay ist. Meyer Paff ist nicht gerade ein Gelehrter, aber wenigstens führt er ein koscheres Haus.»
    «Bah! Nur weil seine Schwiegermutter bei ihnen wohnt, und die würde keinen Bissen essen, wenn sie nicht zweierlei Geschirr hätten für Milch und Fleisch … Er kann die Frau schließlich nicht verhungern lassen, oder?»
    «Genau das versuch ich dir ja die ganze Zeit klar zu machen! Es kommt nicht so sehr drauf an, ob einer wirklich dran glaubt; Hauptsache, er hält sich dran … Das meine ich mit ‹nach außen hin›.»
    «Also gut. Und was ist dann passiert?», fragte seine Frau.
    «Wann passiert?»
    «Na ja, als Paff sah, dass Roger Epstein zum Präsidenten der Ritualkommission ernannt war. Was ist da geschehen? Was hat er gemacht? Was hat er gesagt?»
    «Nichts!», verkündete ihr Mann triumphierend.
    Sie war verblüfft. «Was soll also das ganze Theater? Warum regst du dich so auf?»
    «Begreifst du denn nicht? Paff hatte schon immer das große Wort in der Gemeinde. Er war nie Gemeindevorsteher, aber immer so eine Art von grauer Eminenz … Ted Brennerman hat ihn ja am Freitagabend in aller Öffentlichkeit fertig gemacht – und da soll keiner erzählen, dass Gorfinkle das nicht vorher gewusst hat! Na ja; Paff soll Ted gleich nach dem Gottesdienst auf die Hörner genommen haben … Das war die erste Runde: eins zu eins. Paff hat kein Blatt vor den Mund

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