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Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Titel: Am Sonntag blieb der Rabbi weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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ihm kein warmes Abendbrot aufgetischt hätte. Als er heimkam und sich erkundigte, was es gebe, sagte sie darum: «Wie wär’s mit Hamburgern? Ich kann auch noch Pommes frites machen.»
    «Ist recht. Mir ist alles recht.»
    «Ich hätte zur Abwechslung auch mal Lust auf einen Hamburger», sagte sein Vater. «Und eine Cola dazu, ja?»
    «Und ich Milch», wünschte Stu.
    «Milch? Zu Fleisch?»
    «Machst du auf koscher , seit du Gemeindevorsteher bist?», spöttelte Stu.
    «Nein, aber in meinem eigenen Haus stört es mich, wenn beides zusammen gegessen wird.»
    «Ach so? Und im Restaurant macht’s dir nichts aus? Wo ist da die Logik?»
    Gorfinkle ärgerte sich, aber er nahm sich zusammen. «Die Speisegewohnheiten der Leute sind nie logisch, Stu. Deine Mutter zum Beispiel kocht nie Fleisch mit Butter. Als Kind wäre mir schon beim Gedanken daran übel geworden. Aber wenn ich auswärts esse, streiche ich immer Butter aufs Brot, auch beim Fleischgang.»
    Als seine Frau ausgerechnet in diesem Moment mit einem Krug Milch hereinkam, wäre ihm beinahe der Kragen geplatzt. Wie immer, wenn er verärgert oder böse war, verzerrten sich seine Mundwinkel zu einem verkrampften, humorlosen Lächeln. Seine Untergebenen in der Fabrik kannten dieses Lächeln nur zu gut.
    «Er ist so mager», entschuldigte sie sich, während sie Stus Glas füllte.
    «Wo warst du eigentlich den ganzen Nachmittag?», fuhr Gorfinkle seinen Sohn an.
    «Beim Rabbi. Wir waren alle da. Er erwartet das zu Anfang der Ferien.»
    «Und worüber hat er gesprochen? Offenbar nicht über Speisegesetze?» Er konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen.
    «Nein … Ach, nur so. Wir erzählen dann von der Schule. Didi Epstein hat ihm unter die Nase gerieben, dass sie in der Kunstgewerbeschule oft ein ‹Bildnis oder ein Gleichnis› malen muss.»
    «Diese Didi!», sagte Mrs. Gorfinkle missbilligend. «Hat er sie zurechtgestaucht?»
    «Nein. Er hat gesagt, solange sie ihre Produkte nicht anbetet, ist es ihm egal …» Stu grinste. «Für einen Rabbiner hat er überhaupt ganz schön liberale Ansichten. Ihr hättet ihn in Binkerton hören sollen, auf dieser Party, die sie für ihn gegeben haben.»
    «Oh?», sagte seine Mutter.
    «Father Bennett war auch da, der Leiter des Newman-Clubs – das ist so was wie der Hillel -Club, aber für Katholiken … Er saß an unserem Tisch, und der Rabbi hat ihn so ein bisschen aufgezogen – über religiöse Fragen natürlich. Der Priester pflaumt zurück und fragt den Rabbi, ob er eigentlich richtig glaubt, ja? Sagt doch der Rabbi: ‹Es geht mir wahrscheinlich so wie Ihnen – manchmal glaub ich, und manchmal nicht …› Gut, was?»
    «Ich finde, solche Reden gehören sich nicht für einen Rabbi», empörte sich Mrs. Gorfinkle.
    «Warum nicht?»
    «Na, das Mindeste, was man von einem Rabbi verlangen kann, das ist doch wohl, dass er die ganze Zeit glaubt!»
    «Ach was! Glaubst du vielleicht die ganze Zeit? Oder Dad?»
    «Moment mal!», fuhr sein Vater dazwischen. «Ich glaube nicht die ganze Zeit und deine Mutter vermutlich auch nicht – aber wir sind auch keine Rabbiner! Was deine Mutter meint, ist, dass er als Rabbi die Pflicht hat zu glauben … Er kann von mir aus mit dem Geistlichen so reden, wenn sie unter sich sind. Dann können sie fachsimpeln, so viel sie wollen. Schließlich sind sie ja gewissermaßen von derselben Branche. Aber vor dir und den anderen jungen Leuten dort hätte er nicht so sprechen dürfen.»
    «Warum nicht?», fragte Stuart.
    «Weil du nicht reif genug bist, um das zu …»
    «Und was jetzt hier in unserer Gemeinde passiert – bin ich da auch nicht reif genug, um das zu verstehen?»
    «Was passiert denn in der Gemeinde, wenn ich fragen darf?», erkundigte sich Gorfinkle.
    «Die Gemeinde spaltet sich», platzte Stu heraus; «das passiert!»
    «Hat das der Rabbi gesagt?» Gorfinkle sprach beherrscht. «Hat er etwas von einer Spaltung erwähnt?»
    «Das nicht. Aber er schien durchaus nicht überrascht, als Sue Arons danach fragte.»
    «Ich verstehe … Und was hat er geantwortet?»
    «Wenn du’s genau wissen willst», erklärte Stuart aggressiv, «er hat gesagt, es gibt keinerlei Anlass für eine Spaltung, und wenn es doch dazu kommt, sind beide Parteien gleichermaßen daran schuld.»
    Gorfinkle trommelte auf die Tischplatte. «Ich verstehe», sagte er wieder. «Und hat er angedeutet, wie er sich im Falle einer solchen … hm … Spaltung verhalten wird?»
    «Ja. Beide Seiten können ihn mal.»
    «Beide Seiten

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