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Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Titel: Am Sonntag blieb der Rabbi weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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befriedigt fest, dass sein Schwager ausnahmsweis e einmal interessiert war; er lächelte. «Ich habe ihm kurzerhand mitgeteilt, dass die Mehrheit des Vorstandes entschlossen ist, ihm auf der nächsten Sitzung die Kündigung nahe zu legen, falls er nicht nachgibt.»
    «Ihr habt ihn also gefeuert?»
    Gorfinkle spitzte die Lippen und legte den Kopf zur Seite. «Darauf läuft es hinaus, ja.»
    Kanter stand auf und durchmaß das Zimmer. Schließlich blieb er vor seinem Schwager stehen. «Weiß der Himmel – ihr net ten, anständigen, staatserhaltenden Bürger habt wirklich ein sagenhaftes Talent, alles erreichbare Porzellan zu zertöppern … Da machen sie dich zum Vorsitzenden, und noch ehe der Stuhl unter deinem Hintern warm geworden ist, fängst du schon an, Leute rauszuschmeißen!»
    «In einer Organisation kann nicht jeder hü oder hott sagen, wie es ihm passt», protestierte Gorfinkle. «Wenn wir Fortschritte erzielen wollen …»
    «Fortschritte? Warum zum Henker willst du Fortschritte erzielen? Damit die Bilanz besser wird als die des Vorjahres? Das will jede Aktiengesellschaft auch. Ihr seid aber keine Aktiengesellschaft – ihr seid eine … wie nennst du das – eine ‹Organisation›, die immerhin ein paar tausend Jahre überdauert hat!»
    «Ja, aber wenn sie dynamisch bleiben soll …»
    «… dann müsst ihr auf den falschen Zug aufspringen, ja? Bürgerrechtsbewegung, Slum-Sanierung, Arbeitsbeschaffung – das trägt der feine Mann heute, und da wollt ihr natürlich mitmischen, ihr Liberalen – was? Da wollt ihr mal wieder euer Herzblut vergießen, ja? Ach, ihr seid zum Kotzen … Seit wann bist du überhaupt so verdammt liberal? Wie viele Schwarze arbeiten eigentlich bei Hexatronics?»
    «Ich bin nicht Personalchef.»
    «Aber ich nehme an, du veranstaltest Sitzstreiks vor seinem Büro?»
    «Die Times-Herald ist auch nicht gerade liberal», bemerkte Gorfinkle trocken, «und dort bist du der Chef.»
    «Ich mache die Zeitung im Auftrag der Eigentümer, und ich mach sie so, wie sie’s haben wollen – stimmt. Du kannst sagen, das ist Prostitution – okay. Die meisten Zeitungsleute prostituieren sich … Aber wenigstens mach ich mir nichts vor. Und ’ne Nutte ist mir lieber als ein Heuchler!»
    «Nun, ich habe guten Grund zur Annahme, dass Rabbi Small einer ist. Daher auch mein Beschluss», meinte Gorfinkle selbstgefällig.
    «Warum? Wickelt er die Gebetsriemen falsch rum? Zieht er den Gebetsmantel verkehrt an?»
    «Seit wann beschäftigst du dich so intensiv mit Rabbinern und religiösen Fragen?», spöttelte Gorfinkle.
    «Ich beschäftige mich nicht mit religiösen Fragen, und euren Rabbi kenne ich kaum. Aber ich hab was dagegen, wenn anständige Leute über die Klinge springen müssen …» Er sah seinen Schwager prüfend an: «Und die Auswirkungen auf die Gemeinde? Hast du darüber schon mal nachgedacht?»
    Gorfinkle zuckte die Achseln. «Er hat so gut wie keinen Anhang. Na ja, die Jungen – schön. Aber die zählen nicht. Im Übrigen, um die Gemeinde ging es mir ja gerade bei der Aussprache. Wenn du’s genau wissen willst …» Er senkte die Stimme: «Ich wollte eine Spaltung der Gemeinde verhüten! Zwei Gruppen stehen sich gegenüber: Die alte Garde – eine Minderheit, die unser Programm prinzipiell ablehnt – und wir, die Fortschrittlichen; ob du das Wort magst oder nicht … Und wir sind in der Mehrheit. Also müssen die andern mitmachen – oder aus der Gemeinde austreten … Wenn sie gehen, umso besser; es sind nur zwei, drei Dutzend Leute. Wenn wir aber zulassen, dass der Rabbi so weitermacht, werden vielleicht hundert oder noch mehr weggehen. Und das wäre dann allerdings schlimm.»
    «Ihr wollt also die Opposition zum Schweigen bringen?»
    «Natürlich. Sollen wir ihr vielleicht noch eine Rednertribüne zur Verfügung stellen?»
    «Ja. Das wäre demokratisch. Die Regierung tut das auch.»
    Sie stritten laut und lange, bis die Gorfinkles schließlich aufbrachen, ohne dass es einem der beiden Männer gelungen wäre, den andern zu überzeugen. Höflich und steif verabschiedeten sie sich voneinander, wie schon so oft nach ähnlichen Diskussionen.
    Kaum waren sie abgefahren – in einem Taxi –, da klingelte das Telefon. Harvey Kanter nahm ab.
    «Polizeiwache Barnard’s Crossing, Sergeant Hanks am Apparat … Kann ich bitte Mr. Benjamin Gorfinkle sprechen?»
    «Tut mir Leid – er ist eben gegangen.»
    «Wohin, Sir? Nach Hause?»
    «Ich nehme an, ja … Was ist denn los?»
    «Gut. Dann

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