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Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Titel: Am Sonntag blieb der Rabbi weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Provinznestern wie Barnard’s Crossing. Und das bedeutet Konkurrenz.»
    Er schüttelte müde den Kopf. «Du verstehst mich nicht, Miriam. Der Rabbi wird zwar von der Gemeinde bezahlt, weil das zufällig das einfachste, das sinnvollste Verfahren ist. Aber das macht ihn noch lange nicht zum Angestellten der Synagoge. Ein Richter, der vom Staat bezahlt wird, bleibt trotzdem unabhängig in seinen Entscheidungen. Und wenn das Gerichtsgebäude abbrennt, bedeutet das doch nicht, dass er dadurch plötzlich aller Pflichten und jeder Verantwortung ledig wäre … Aber wenn sich die Gemeinde hier spalten sollte, ergäbe sich zwangsläufig eine sehr unerfreuliche Situation. Die beiden Rabbiner wären dann automatisch so etwas wie Verkaufsargumente bei der Mitgliederwerbung … Und da mach ich nicht mit.»
    «Wenn du aber immer darauf bestehst, der Rabbi sämtlicher Juden einer Gemeinde zu sein, werden wir zeitlebens in der Provinz leben müssen!»
    «Nun, ich mag kleine Städte. Du nicht?»
    «Jaaa … Aber Kleinstädte bedeuten kleine Gemeinden, und kleine Gemeinden zahlen niedrige Gehälter. Hast du denn gar keinen Ehrgeiz?»
    «Doch – natürlich!» Er sah sie erstaunt an. «Sonst würde ich doch nicht so viel Zeit an meine Studien hängen. Aber mein Ehrgeiz besteht darin, Rabbi zu sein und weiter nichts. Ich habe nicht die Absicht, das Rabbinat als Sprungbrett für eine besser bezahlte und angesehenere Tätigkeit zu benutzen. Es sagt mir nichts, mit viel Pomp in einer großen Gemeinde zu amtieren, wo ich mich den Menschen nicht mehr widmen kann, weil ich ständig auf Vortragsreisen bin. Das liegt mir nicht …» Er streichelte zärtlich ihre Hand: «… und dir auch nicht. Vielleicht wärst du am Anfang stolz auf mich, wenn mein Bild in der jüdischen Presse erschiene. Aber auch daran würdest du dich bald gewöhnen. Abgesehen davon wäre ich dazu wohl kaum geeignet.»
    «Manchmal muss man Kompromisse schließen, David. Sonst …»
    «Sonst was?»
    «Sonst werden wir nie lange an einem Ort bleiben.»
    «Wir sind immerhin schon fast sechs Jahre hier. Aber du hast Recht, wir können nicht ewig umherzigeunern. Schon wegen Jonathan nicht. Und ich habe darüber nachgedacht: Ich kann hingehen, wo ich will – es gibt überall Gorfinkles und Paffs.»
    «Was hast du also vor?», fragte sie leise.
    Er zuckte die Achseln. «Oh, ich fahr diese Woche mal nach New York zu Hanslick und sag ihm, dass ich eine andere Stelle suche. Vielleicht als Studentenrabbi …»
    «David, bist du deshalb so …» Störrisch, hatte sie sagen wollen; sie stockte jedoch und verbesserte sich: «… so resolut angesichts dieser Situation?»
    Er blickte sie forschend an, dann musste er lächeln. «Katholiken haben ihren Beichtvater, Juden ihre Frauen … Ich mag übrigens unser System lieber.»
    «Du weichst mir aus!», sagte sie streng, musste dann aber doch lachen.
    «Tu ich das? Hmmm … Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Und ich glaube, meine starre Haltung hängt tatsächlich damit zusammen – zum Teil wenigstens. Aber hat es dir nicht gefallen in Binkerton, die drei Tage? Weißt du, ich habe die ewigen Streitereien einfach satt. Und das geht nun schon sechs Jahre lang so … Ja, natürlich – mit einem bisschen Stunk hin und wieder hatte ich gerechnet, vor allem zu Anfang. Aber hier komme ich ja nicht dazu, mich meinen eigentlichen Aufgaben zu widmen! Ich bin ja dauernd damit beschäftigt, um meine Stellung zu kämpfen! Nein, Liebling: Ich bin es einfach leid!»
    «Du hattest doch auch in Binkerton eine Auseinandersetzung», wandte sie ein.
    «Das war etwas anderes. Eine Prinzipienfrage … Ich weiß nicht, vielleicht bin ich hier in die falsche Gemeinde geraten. Die Leute sind so … so händelsüchtig.» Er wanderte nervös im Zimmer auf und ab, die Hände in die Hosentaschen vergraben.
    «Na ja, Passivität war nie eine jüdische Eigenschaft», bemerkte Miriam sanft. «Glaubst du etwa, die Söhne und Töchter in den Colleges werden anders sein als die Eltern?»
    «Nein. Aber ich hoffe, dass sie über wichtigere Dinge streiten werden als … Na, als die Sitzordnung in der Synagoge. Überhaupt, es ist nicht nur das. Ein Rabbi ist vor allem ein Gelehrter. Und um zu studieren, braucht er Muße. Ich denke, dass ich als Studentenrabbi mehr Zeit hätte, um …»
    «Aber hier leistest du praktische Arbeit, David! Im College würdest du nur trockene Vorlesungen halten.»
    «Und wenn mir das zur Abwechslung einmal Spaß machen würde?»
    «Ach, du …»

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