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Am Sonntag stirbt Alison

Am Sonntag stirbt Alison

Titel: Am Sonntag stirbt Alison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klimm
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auch nicht verhaftet. Bloß davon haben diese Käsblätter dann kein Wort mehr geschrieben!«
    »Was hat die Polizei dann noch gegen Sie?«, fragte Lys. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme bebte. Auch wenn McKinley ihr gerade ein Alibi präsentiert hatte, war sie in diesem Moment noch weniger von seiner Unschuld überzeugt als ohnehin schon.
    »Wie würdest du dich verhalten, wenn ein geliebter Mensch spurlos verschwunden ist und die Polizei dir unterstellt, du hättest ihn ermordet? Und wenn du dann endlich ein Alibi vorlegen kannst, behaupten sie einfach, dass deine Tochter weggelaufen sei, weil du sie schlecht behandelt hast! Ich bin irgendwann einfach ausgeflippt, weil ich diese ganzen Unterstellungen nicht mehr hören konnte. Und dann bin ich einem Polizisten an die Gurgel gegangen. Deshalb werden sie mich höchstwahrscheinlich nicht mit offenen Armen empfangen, wenn ich jetzt mit dem hier«, er wies wieder auf den Bildschirm, »zu ihnen komme.« Schwer atmend ließ er sich in seinem Stuhl zurückfallen.
    »Aber irgendjemand muss das doch der Polizei melden«, blieb Lys hartnäckig. »Und wenn ich das mache, nehmen die mich doch sowieso nicht ernst. Das muss schon ein Erwachsener tun.«
    »Was ist mit dieser Lehrerin?«, fragte McKinley.
    »Welche Lehrerin?«
    »Du hast doch gesagt, dass auch eine Lehrerin von diesem Interneteintrag weiß. Wer ist das?«
    Oh, Sch… »Äh, das ist… unsere Französischlehrerin«, beeilte sich Lys zu sagen.
    »Ah. Du meinst die Frau Siegmund-Egerich, nicht wahr?«
    »Ja. Ja, genau«, sagte Lys.
    McKinley schaute sie einen Moment lang stumm an. Dann sagte er: »Ich gehe zum Telefonieren kurz nach nebenan. Möchtest du solange hier warten?«
    Lys war sprachlos über diese völlig unerwartete Wendung. »Äh – ja, klar, kein Problem«, sagte sie schnell.
    »Gut.« McKinley stand auf und verließ den Raum. Lys hörte, wie er über den Flur ging, in einem anderen Zimmer verschwand und die Tür hinter sich schloss.
    Wieso hatte er sich jetzt so plötzlich bereit erklärt, doch Kontakt mit der Polizei aufzunehmen? Vielleicht telefonierte er auch mit jemand ganz anderem? Lys stand auf und schlich so leise wie nur möglich in den Flur hinaus. Hinter der Tür schräg gegenüber hörte sie ein leises Murmeln. Sie ging näher heran und versuchte, sich auf die Stimme zu konzentrieren, aber sie konnte nichts verstehen. Sie sah sich um. Die nächste Tür war nur angelehnt und führte offenbar in ein Kinderzimmer. Der blaue Teppichboden war mit einer Unmenge an Legoteilchen und Modellautos übersät. Lys huschte über den restlichen Flur und checkte schnell hintereinander alle Räume. Keins der Zimmer schien Alison gehört zu haben.
    Sie betrat das Wohnzimmer. Das Deckenlicht brannte, sie erkannte eine Couchgarnitur und mehrere Regale mit Büchern. Ein Fach mit Fotoalben an der gegenüberliegenden Wand zog ihren Blick an. Leise ging sie hinüber. Sie musste sich beeilen. McKinley würde nicht ewig telefonieren. Die meisten Alben waren an den Rücken mit Etiketten beklebt und in einer geschwungenen Frauenhandschrift beschriftet. »Urlaub Toskana 2007« stand da zum Beispiel und »Herbst & Winter 2008/2009«. Nur zwei Alben am linken Rand fielen aus der Reihe. Sie waren mit Edding beschriftet und die Handschrift war gröber. Auf beiden stand nur genau ein Wort: Alison.
    Lys zog das erste Album heraus und öffnete es.
    Gleich auf der ersten Seite war ein kleines Mädchen in einer exotisch anmutenden Waldlandschaft zu sehen, neben ihr eine junge Frau mit langen dunklen Haaren, die sie lachend umarmte. Lys betrachtete die Frau neugierig. Sie wirkte südländisch, italienisch vielleicht oder spanisch. Ob das Alisons Mutter war? Und wo war das Foto aufgenommen worden? Auf einer Urlaubsreise? Oder in der Heimat von Alisons Mutter?
    Sie blätterte weiter. Immer wieder dasselbe kleine Mädchen, das ohne Zweifel Alison sein musste. Auf manchen Bildern war außerdem die dunkelhaarige Frau zu sehen. Man sah sie zusammen auf einer Bank sitzend oder beim Baden in einem Swimmingpool oder auf einer Terrasse vor einer weiß getünchten Villa, wo ihnen von einem Herrn in einer weißen Uniform Getränke serviert wurden. Beide waren stets elegant gekleidet. Alisons Mutter trug auf den meisten Bildern ein helles Kostüm und einen breitkrempigen Hut und Alison schneeweiße kitschige Rüschchenkleider. Unter den Bildern standen Kommentare in einer kindlichen Handschrift, einige auf Englisch, die meisten

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