Am Sonntag stirbt Alison
zu hören sein!«
»Na ja, es ist halt auch gerade nicht Saison. Im Sommer ist hier sicher mehr los.«
»Lys, lass uns hier verschwinden.« Sebastians Stimme klang bittend. »Mir gefällt das alles einfach nicht!«
»Und was sollen wir deiner Meinung nach machen? Im Wald übernachten, oder was?«, fragte Lys genervt.
»Besser, als wenn man uns bei Nacht und Nebel die Kehle durchschneidet.«
»Wer sollte uns denn die Kehle durchschneiden und vor allem, warum?«, fragte Lys jetzt wirklich ungeduldig.
»Was weiß ich? Vielleicht sind das hier echt Psychopathen, die Leute in die Falle locken, um sie einfach nur zum Spaß abzumurksen.«
»Soll ich dir was sagen? Du schaust eindeutig zu viele Horrorfilme!« Lys warf sich aufs Bett und verschränkte die Arme.
Sebastian seufzte tief. Er betrachtete die Tür. »Nicht mal einen Schlüssel zum Abschließen gibt’s«, murmelte er.
»Die hätten doch eh einen Zweitschlüssel«, murmelte Lys.
Sebastian stieß einen wütenden Fluch aus, dann zog er zwei Decken und ein Kopfkissen von einem Etagenbett und begann, sich direkt vor der Eingangstür ein Lager zu bauen.
»Findest du nicht, dass du übertreibst?«, fragte Lys schläfrig.
»Wenn heute Nacht einer hier reinkommt, will ich es wenigstens merken«, sagte Sebastian düster.
Sie schlüpften aus den Regensachen und den nassen Hosen und krochen in die Betten, das heißt, Lys kroch ins Bett, während Sebastian sich auf sein improvisiertes Lager vor der Tür zurückzog. Lys war todmüde. Dennoch fiel es ihr schwer einzuschlafen. Sebastian bestand darauf, das blendende Deckenlicht anzulassen, um den Mörder, der möglicherweise mit gezogenem Messer zur Tür hereinkommen würde, sofort erkennen zu können. Und sosehr Lys auch versuchte, diese Vorstellung ins Lächerliche zu ziehen, war ihr doch auch wohler, wenn es nicht dunkel um sie war. Sebastians Spinnereien hatten auch ihre Fantasie aktiviert. Was, wenn sie mitten in der Nacht davon aufwachte, dass man ihr ein Messer in die Brust stieß? Wachte man dann überhaupt noch auf oder war man sofort tot? Lys verspürte das Bedürfnis, sich die Bettdecke über den Kopf zu ziehen, doch ihr war klar, dass das im Ernstfall auch nicht helfen würde. Vielleicht war es also doch besser, wach zu bleiben, die Tür zu beobachten und sich mit irgendetwas zu bewaffnen. Hatte sie nicht mal ein Tränengasspray besessen? Vermutlich lag das friedlich zu Hause in der Schreibtischschublade, sehr sinnvoll! Vielleicht sollte sie besser…
Lys merkte, wie es ihr langsam unmöglich wurde, die Augen weiter offen zu halten. Sie unternahm einen letzten, verzweifelten Versuch, gegen den Schlaf anzukämpfen.
Vergeblich.
Samstag
Am Sonntag stirbt Alison.
Verdammt noch mal!
Er hatte versagt. Er hatte die einmalige Chance gehabt, sie zu retten. Sich selbst zu retten. Wenn er nur schneller gewesen wäre. Oder einen Augenblick länger Zeit gehabt hätte. Wenigstens für den Nachnamen. Und eine Adresse. Oder sonst eine Information, die einen aufmerksamen Beobachter auf die richtige Spur bringen konnte.
Stattdessen geisterte nun ein völlig sinnfreier Satz durchs World Wide Web. Ein Satz, aus dem nicht mal ein Hellseher eine Bedeutung würde herauslesen können. Er hatte es vermasselt. Und es würde keine zweite Chance geben.
Seit jenem Abend hatte sie den Computer nicht mehr angeschaltet. Als ob sie ahnte, dass sie ihn damit zurück ins Spiel brachte. Er hätte heulen können vor Wut. Der Rechner stand neben ihm, nicht mal einen Meter von seinen Händen entfernt. Und er konnte nichts tun.
Am Sonntag stirbt Alison. Niemand würde mit diesem Satz etwas anfangen können.
Und es blieb nur noch ein Tag Zeit.
***
»Oi. Schto eta takoje!«
Sonnenlicht flutete in den Raum. Ein Rumpeln zur Linken. Lys fuhr hoch und wäre beinahe mit dem Kopf gegen den Lattenrost über ihr geknallt. Es dauerte einen Moment, bis sie wieder wusste, wo sie sich befand. Dann seufzte sie. Na, sie waren wenigstens immer noch am Leben. Irgendjemand rüttelte fluchend an der Tür und versuchte, einen verwirrt in die Helligkeit blinzelnden Sebastian beiseitezuschieben. »Was… was ist denn…«, murmelte er.
Wieder lautes Schimpfen. Es war eindeutig eine Frauenstimme. Die Aussicht, dass diese Frau gleich in ihrem Zimmer stehen würde, schien Sebastian vollends wach zu machen. Mit krebsrotem Gesicht krabbelte er auf die Füße und zog die Schlafutensilien von der Tür weg, die augenblicklich aufflog.
Eine junge Frau mit
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