Am Sonntag stirbt Alison
blassblonden Haaren und wenig attraktiven, vorstehenden Zähnen, gekleidet in einen abgenutzten blauen Arbeitskittel, stand in der Tür. In der einen Hand hielt sie einen Putzeimer, in der anderen einen Wischmopp. Ihre hellblauen Augen musterten Sebastian vom Kopf bis zu den Zehen. Die Tatsache, dass er nicht mehr als eine Unterhose trug, ließ Sebastians Gesichtsfarbe augenblicklich noch eine Spur dunkler werden. »Ich komme putzen«, erklärte die Frau. Sie hatte einen ausgeprägt fremdländischen Akzent.
»Äh. Ja.« Sebastian angelte hastig nach seinem T-Shirt.
»Na siehst du, wir leben noch«, sagte Lys, während sie in ihre Kleider schlüpfte. Bei Tag wirkte der Raum nicht mehr halb so gruselig und die Putzfrau, die jetzt begann, das Waschbecken mit einem Schwamm zu schrubben, ließ auch kein sonderliches Thriller-Gefühl mehr aufkommen. Vom Gang drangen Stimmen herein. Das Hotel war offenbar doch nicht ganz so ausgestorben wie angenommen.
»Glück gehabt«, grummelte Sebastian und schlüpfte in seine Hose. Er war noch immer puterrot im Gesicht. »Und was machen wir jetzt?«, fragte er, während er ein Paar frische Socken aus seinem Rucksack kramte.
Lys zog sich die Schuhe an und verzog das Gesicht, als sie feststellte, dass sie immer noch klatschnass waren. »Alexander Bergheimer suchen, schlage ich vor.«
»Und dann? Fragst du ihn, ob er Alison seit drei Jahren im Keller eingesperrt hat? Falls Alexander Bergheimer nicht sowieso mittlerweile in Berlin studiert oder auf einer Bergwanderung im Himalaja ist«, knurrte Sebastian. »Im Übrigen sollten wir vielleicht etwas leiser reden.« Er sah zu der Putzfrau hinüber, die immer wieder sonderbare Blicke in ihre Richtung schickte. »Die da drüben hält uns, glaube ich, für ziemlich abgedreht.«
»Am besten, wir reden woanders weiter«, murmelte Lys. »Hier kann man doch bestimmt irgendwo Frühstück bekommen.« Sie schnappte sich ihren Rucksack und ging zur Tür. Sebastian folgte, nachdem er Decken und Kopfkissen noch hastig auf das Bett zurückgeworfen hatte. Die Putzfrau hielt sich an ihrem Wischmopp fest und sah ihnen misstrauisch hinterher.
***
Na bitte, die einzigen Gäste sind wir nicht gerade, dachte Lys, als sie im Frühstücksraum saßen und über ihre Teller hinweg den Raum beobachteten. Allerdings war wirklich nicht sonderlich viel Betrieb. Eine Gruppe Asiaten stand am Frühstücksbuffet, eine Familie mit zwei Kindern saß in einer Fensternische. Die Kinder waren die Einzigen, die für ein bisschen Lautstärke sorgten. Während das eine laut plärrte, war das andere damit beschäftigt, sein T-Shirt gleichmäßig mit flüssigem Eidotter zu glasieren. Von den wenigen Gästen abgesehen, befand sich nur noch eine gelangweilte Bedienung im Raum und die Putzfrau mit den vorstehenden Zähnen, die gerade die Krümel auf dem Fußboden zusammenfegte.
»Also. Wen fragen wir? Die Bedienung?«, flüsterte Sebastian.
Lys dachte nach. Bedienungen und Putzfrauen waren im Normalfall nicht gerade die Leute, die sich in so einem Laden am besten auskannten. »Vielleicht lieber die da.« Sie wies auf eine junge Frau im Business-Kostüm, die soeben in den Frühstücksraum gekommen war und nun mit der Familie drei Tische weiter sprach, ein freundliches, wenn auch etwas nichtssagendes Lächeln auf dem Gesicht. »Die sieht nach Chefin aus. Die weiß sicher eher Bescheid.«
»Bisschen jung für ’ne Chefin.« Sebastian stopfte sich ein Schinkenbrötchen in den Mund.
Als ob die junge Dame das gehört hätte, drehte sie sich genau in diesem Moment herum und schritt auf ihren Tisch zu. »Guten Morgen. Sie sind gestern neu angekommen?« Ihr Lächeln wirkte aufgesetzt und irgendwie künstlich.
Lys und Sebastian wechselten einen kurzen Blick. Hier wird man also schon gesiezt! »Ähm… ja«, sagte Lys dann. »Wir sind aber nur im Gemeinschaftsschlafraum.«
»Was heißt da nur?« Das Lächeln der jungen Frau wurde noch breiter. »Das ist eine Besonderheit des Hotels Eifelblick. Wir wollen sowohl anspruchsvollen Gästen jede Art von Komfort bieten als auch denen, die nur einen Schlafplatz brauchen. Eine einzigartige Kombination aus Hotel, Pension und Jugendherberge.«
»Na ja, aber der Kerl der uns gestern reingelassen hat, ist ja wohl nicht gerade ein Aushängeschild für Ihr Hotel!«, gab Sebastian mürrisch zurück.
Die junge Frau wirkte irritiert. Dann rief sie: »Ach Gott, das muss Herr Müller gewesen sein. Sie müssen entschuldigen, er ist eigentlich unser
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