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Am Sonntag stirbt Alison

Am Sonntag stirbt Alison

Titel: Am Sonntag stirbt Alison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klimm
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Aufregung war Sebastians Stimme zwei Oktaven höher gesprungen und er klang jetzt, als sei er noch im Stimmbruch.
    »Und Sie… äh… kommen aus Kanada, Herr Lambert?«, versuchte Lys vom Thema abzulenken.
    Leo Lambert nickte abwesend. »Calgary«, murmelte er. »Aber ihr braucht wirklich nicht ›Sie‹ zu sagen, so viel älter als ihr bin ich ja nun nicht.« Einen Moment lang starrte er stumm in seinen Espresso, dann setzte er sich kerzengrade auf. »Ich verstehe das immer noch nicht. Warum seid ihr hier?«
    »Das haben wir Ihnen doch gerade erklärt«, begann Lys. »Ich habe diesen Eintrag im Internet gesehen und dachte, dass er sich vielleicht auf Alison McKinley bezieht, und da…«
    »Aber warum tut ihr das?« Leo schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich meine, ihr kennt Alison gar nicht. Ihr seht irgendeine Nachricht im Internet, von der ihr noch nicht einmal wisst, ob sie echt ist, und fahrt gleich ein paar Hundert Kilometer durchs Land?«
    Lys versteckte ihr Gesicht hinter dem Latte macchiato. »Na ja – ich finde, man sollte anderen helfen, wenn man sieht, dass sie in Schwierigkeiten sind«, murmelte sie.
    »Was? Das war reine Nächstenliebe oder wie? Warum seid ihr dann nicht in Afrika oder auf Haiti und helft dort den hungernden Kindern? Wieso Alison?«
    »Es war ihre Idee«, grummelte Sebastian. »Ich hab’ dich nicht gezwungen mitzukommen«, zischte Lys.
    Leo sah kopfschüttelnd von einem zum anderen. Dann seufzte er tief. »Ich bin immer noch so weit wie vorher. Als ich diesen Eintrag gesehen habe, da habe ich wirklich gedacht…«
    »Dein Freund Alex hat also immer den Namen Chalchiu Totolin benutzt?«, unterbrach ihn Lys.
    Leo nickte.
    »Wusstest du, dass es einen Hacker gab, der sich Chalchiu Totolin nannte und der die Rechner mehrerer Regierungsstellen geknackt hat?«, fragte Lys. »Angeblich hat er sich sogar ins Pentagon gehackt. Hat Alex sich nach diesem Hacker benannt oder nach der Theatergruppe?«
    Leo starrte sie einen Moment lang perplex an. Dann lachte er auf.
    »Was ist daran jetzt so komisch?«, fragte Sebastian.
    Leos Lachen erstarb. »Es ist nicht komisch. Überhaupt nicht«, sagte er. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich euch das überhaupt erzählen sollte, aber eigentlich ist es jetzt auch egal. Ich könnte es genauso gut in die Zeitung setzen, für Alex spielt es ja keine Rolle mehr.« Er lehnte sich nach vorne und stieß dabei gegen seinen Espresso. Die Tasse klirrte leise. »Alex war Chalchiu Totolin. Alex war der Hacker, der sich auf den Server des Justizministeriums geschmuggelt hat. Alex Berghäuser, Staatsfeind Nummer eins.« Leo ließ wieder ein trockenes Lachen hören. »Deshalb auch der Name Chalchiu Totolin. Das ist eine aztekische Gottheit.«
    »Ja, ich weiß – der Gott der Krankheit«, sagte Lys.
    »Der Gott der Krankheit, der Gott der Viren – Alex fand, dass dies ein passender Name sei für jemanden, der mit Computerviren die Weltgeschichte durcheinanderbringen wollte«, erklärte Leo.
    »Dann hat sich Alex gar nicht nach der Theatergruppe benannt, sondern die Theatergruppe nach Alex?«, fragte Lys erstaunt.
    »Im Prinzip entstand beides gleichzeitig«, sagte Leo. »Alex sah sich als so eine Art Revolutionär. Na ja, so wie viele Leute mit sechzehn. Er war überzeugt davon, dass die Welt nur darauf gewartet hatte, dass er kam, um sie in Ordnung zu bringen. Und er war fest entschlossen, sich in den Kampf gegen jede Form von Ungerechtigkeit zu stürzen, ganz gleich ob Globalisierung, Umweltzerstörung, Ausbeutung ärmerer Länder, Diktatur des Geldes oder was auch immer. Er behauptete immer, das ganze westliche System sei komplett abhängig von Elektronik, EDV und Computern. Und deshalb könne man dieses System auch nur mithilfe der EDV bekämpfen. Man müsse es mit seinen eigenen Waffen schlagen. Und als jemand, der vorhatte, es mit der ganzen Welt aufzunehmen, suchte er natürlich nach einem richtig coolen Namen. Alison schlug ihm Chalchiu Totolin vor. Zur gleichen Zeit hatten wir die Idee mit der Theatergruppe – Alex, Alison und ich. Und Alex war dafür, den Namen auch für die Theatergruppe zu nehmen.
    »Die Theatergruppe zum Untergrundkampf, was?«, fragte Sebastian spöttisch.
    »Und Julia?«, fragte Lys. »Gehörte sie auch zur Theatergruppe?«
    Leo nickte.
    »War die damals auch schon so komisch?«, fragte Sebastian.
    »Was meinst du mit komisch?«, fragte Leo.
    »Na, so – ich weiß auch nicht. So furchtbar spießig. Mann, die redet mit dir, als wärst du

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