Am Strand des Todes
sehen kann.«
»Und du hast ihn nicht dafür belangt?«
Chip war jetzt total verwirrt. »Belangt? Wofür denn, um
Gottes willen?«
»Straßenhandel«, bellte Whalen ihn an, »wir haben
schließlich eine Verordnung, die Straßenhandel ohne Lizenz
unter Strafe stellt. Und genau das tut er, wenn er seinen Schund
auf die Straße stellt!«
»Aber, aber«, meinte Chip, »das ist doch lächerlich. Selbst
wenn es eine solche Verordnung gibt – wann haben wir die
jemals angewandt?«
»Das spielt doch keine Rolle!« beharrte Whalen trotzig.
»Dann wäre es aber besser, du wendest diese Verordnung
nicht nur gegen Palmer an, sondern gegen alle, die dagegen
verstoßen. Palmer wird jeden Schritt von uns genau
beobachten.«
»Ja, das ist ihm zuzutrauen«, stimmte Whalen bei. Ein
hinterhältiges Grinsen überzog sein Gesicht. »Also wird er kein
Mandat bekommen. Die Bilder kriege ich auch auf andere
Weise von der Straße.«
Chip musterte seinen Chef voller Mißtrauen. »Was hast du
denn vor?«
»Komm mit, dann siehst du’s!«
Irgend etwas warnte Chip davor, an Whalens Unternehmen
teilzunehmen. »Nein, danke, ich hüte lieber das Haus.«
»Ganz wie du willst«, meinte Whalen, »aber falls du deine
Meinung ändern solltest, brauchst du nur in etwa zehn Minuten
Richtung Hauptstraße zu fahren und zu warten.« Er setzte den
Hut auf, warf noch einen Blick in den Spiegel und verschwand.
Während Chip nach den Protokollen auf Whalens
Schreibtisch griff, hörte er ihn davonfahren. Er verschloß sie
im Aktenschrank und sah sich dann ratlos um. Womit sollte er
sich nur die Zeit vertreiben?
»Verdammt«, entfuhr es ihm, und er griff ebenfalls nach
seinem Hut, verschloß die Bürotür hinter sich und ging zu
seinem Wagen. Einige Augenblicke später fuhr er die Harbor
Road hoch. Wo sie auf die Hauptstraße einbog, lenkte er an die
Seite und stoppte. Von hier aus hatte man einen guten Blick auf
Palmers Galerie.
Er brauchte nicht lange zu warten. Hinter sich hörte er
irgendwo die Sirene von Whalens Streifenwagen. Sie wurde
lauter und lauter – wahrscheinlich verfolgte der Chef einen
Geschwindigkeitssünder. Jeden Augenblick mußte er
auftauchen.
Doch Chip wartete vergeblich. Statt dessen preschte Whalen
plötzlich mit wild flackerndem Warnlicht und
ohrenbetäubendem Geheul um die Kurve. Auf der Geraden
schien er noch zu beschleunigen, was die Sache für Chip noch
rätselhafter machte. Doch als er nach vorn blickte, wußte er,
was geschehen würde.
Eben trat Glen Palmer neugierig aus seiner Galerie. Chip
drückte auf seine Hupe, um ihn zu warnen. Doch Whalens
Lärm ließ alles andere untergehen. Auf Höhe der Galerie
machte der schwarzweiße Streifenwagen plötzlich einen
leichten Bogen nach rechts. Erschrocken sprang Glen Palmer
zurück, erkannte dann jedoch, daß er gar nicht gemeint war.
Die rechten Räder von Whalens Wagen rasten durch eine
lange, schmale Pfütze und bespritzten Glen von Kopf bis Fuß.
Vor allem aber warfen sie eine Schlammkaskade über die
ausgestellten Bilder. Glen sah die Arbeit vieler Wochen und
Monate in einem Augenblick zerstört.
Er stand noch immer wie erstarrt, als Chip auf ihn zu rannte
und sich nach den Bildern zu bücken begann. Er zog sie aus
dem Schlamm und trug sie ins Innere.
»Um Himmels willen, stehn Sie doch nicht so rum«, schrie
er ihn an. »Helfen Sie mir lieber, die Sachen reinzubringen!«
Bevor Harney Whalen um die nächste Ecke bog, warf er
noch einen Blick in den Rückspiegel. Er grinste. Dann nahm er
den Fuß vom Gaspedal, ließ die Sirene aber noch einen
Augenblick weiterheulen. Er liebte diesen Ton. Palmer hatte
die Botschaft bestimmt verstanden. Falls nicht, ließ sich die
Vorstellung ohne weiteres wiederholen…
Als er sich der Sod Beach näherte, kam ihm plötzlich der
Gedanke, dem alten Baron-Haus einen Besuch abzustatten. Er
bog in den kaum erkennbaren Pfad ein, der durch das
Strandwäldchen führte, und parkte den Wagen, als es nicht
mehr weiterging.
Von außen wirkte das Haus unverändert, und Whalen
verschwendete keinen Gedanken auf die offene Veranda, die es
fast ganz umschloß. Er betrat es durch die Tür zur Küche, die
er wieder hinter sich zuzog.
In nächster Zeit würde er ein paar Kinder aus dem Ort damit
beauftragen, den modernden Abfall und die Essensreste
wegzuschaffen und das Geschirr zu spülen. Das Becken
brauchte nicht unbedingt blankgescheuert zu werden,
ebensowenig mußte der alte Holzherd geleert werden
–
schließlich wohnte hier niemand, und Whalen hatte
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