Am Tor Zur Hoelle
entwickelte sich eine freundschaftliche Verbindung, die über die Jahre hinweg angedauert hat. Mithilfe dieser Freundschaft und unserer Gespräche begann ich, die Wurzeln dieses tiefen Gefühls der Zugehörigkeit, dieses verwandtschaftlichen Gefühls gegenüber den Deutschen und Deutschland zu verstehen. Ich entdeckte, dass Deutschland und ich eine gemeinsame Erfahrung teilen. Wir haben den Terror des Krieges in all seinen Phasen überstanden und wir teilen die Konsequenzen. Ich bin mir ebenfalls äuÃert bewusst, dass ich mit Deutschland und den Deutschen eine Verbindung aufgrund der Art und Weise spüre, wie wir fortlaufend als Vehikel der Vermeidung benutzt wurden, und zwar zur Umgehung persönlicher Verantwortung anderer für den Zweiten Weltkrieg, den Holocaust, für My Lai, für Vietnam.
Ich will hinzufügen, dass ich mit dieser Aussage in keiner Weise versuche, weder die Realität oder Folgen meines Handeln als Frontsoldat in Vietnam, noch die Verantwortung der Nazis und Nazi-Deutschlands für die unaussprechlichen Taten, die zum Holocaust führten und der Holocaust wurden, zu vermeiden oder zu minimieren. Für mein Handeln bin ich selbst verantwortlich. Die Frage, die auf dieses Verstehen folgt, bleibt: Da die Vergangenheit die Gegenwart so stark beeinflusst und formt, was kann ich jetzt tun?
Als sich meine Beziehung zu Deutschland vertiefte, wollte ich die Deutschen genauer kennenlernen. Ich wollte mir ein vollständigeres Bild machen und auch in die Ecken und Nischen schauen. Ich wollte die Aspekte des Zweiten Weltkrieges kennenlernen, die nicht so allgemein bekannt sind. Ich wollte mehr über die Gewaltkultur lernen, die im Nationalsozialismus fortgesetzt wurde. Und ich wollte mehr von Deutschland nach dem Krieg erfahren, weil genau das die Identität formt.
Mit diesem Bewusstsein machte ich mich auf, um mehr über die Konditionierung zu Krieg und Gewalt zu lernen â was auch meine eigene Konditionierung ist. Gerade in meiner Verbindung zu Deutschland und durch die Beziehungen, die ich hier knüpfe, bin ich ermächtigt â ermächtigt, auf die sehr persönlichen Wurzeln von Krieg und Gewalt aufmerksam zu machen. Genau durch diesen Prozess, durch dieses Aufwachen oder Erwachen, können Krieg und Gewalt beendet werden.
Seit dieses Buch zum ersten Mal veröffentlicht wurde, habe ich viele Pilgerwanderungen, Meditations-Retreats und öffentliche Vorträge in Deutschland gehalten. Ich habe auf den StraÃen von Berlin, Frankfurt, Essen und Köln obdachlos gelebt â als eine spirituelle Ãbung. Ich bin ständig mit Menschen in Kontakt, die entweder als Soldaten oder als nicht direkt am Kampf Beteiligte Kriegstraumata erfahren haben. Ich treffe auch auf viele Menschen, die glauben, dass sie überhaupt keine ersichtliche Verbindung zum Krieg haben.
Ich besuchte Schulen, Gefängnisse und Klöster. Ich traf mich mit jungen Soldaten, Polizisten und Feuerwehrleuten. Ich traf mich mit Regierungsvertretern und Bauern, Lehrern und Schülern. Bei all diesen Begegnungen traf ich unsäglich viele Menschen, die auf der Suche nach Befreiung waren von etwas, das sie als undefinierbare Angst beschrieben, eine quälende Leere in ihrem Dasein. Menschen, die nicht in der Lage sind, sich verbunden zu fühlen â weder mit sich noch mit einem anderen Menschen, mit einer Gruppe von Menschen oder der Gesellschaft insgesamt. Ich hörte den Geschichten von hunderten, wenn nicht sogar tausenden Menschen zu; den Geschichten der Suche nach der Erlösung oder Absolution von dieser Angst durch eine Lösung, die von auÃen kommt: die richtige Partnerbeziehung, der richtige Job, ein gröÃeres Haus, eine Religion oder keine Religion usw. Ich hörte diesen Menschen zu, während sie ihren Eltern, den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und religiösen Strukturen die Schuld an ihrer Situation gaben. Für mich steckt in dieser Argumentationsweise eine Herausforderung. Die Herausforderung besteht darin, dass aus einer bestimmten Perspektive, aus einer gewissen Blickrichtung, diese Argumente gültig sind. In der Tat habe ich mich auch selbst genau dieser Argumente bedient in meinem Bemühen, persönliche Verantwortung zu vermeiden. Das Furchtbare daran ist, dass sie letztendlich nicht funktionieren!
Bei den vielen unterschiedlichen Gelegenheiten, die ich in Deutschland hatte, mich direkt mit Menschen zu
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