Am Tor Zur Hoelle
zentralen Symbol meines Gestörtseins, meiner tiefsten Ãngste, dass ich nie wieder ganz heil sein würde.
Wenn der seltene Fall eintrat, dass ich eine Arbeit fand, konnte ich den Job nicht behalten, weil ich nicht so gut funktionieren konnte wie die Menschen, die nachts gut schlafen. Ich war gewöhnlich müde und abgelenkt. Manchmal schaffte ich es einfach nicht, pünktlich zur Arbeit zu kommen, weil die frühen Morgenstunden die einzige Zeit waren, in der ich schlafen konnte.
Ein Grund, weshalb ich mit dem Schlafen Schwierigkeiten hatte, lag darin, dass ich Angst vor der Nacht hatte: die Geräusche der Artillerie (die nicht da war), die aber für mich in der Ferne zu hören war; die Geräusche der Sturmhubschrauber; der seltsame Anblick von allem, was durch künstliches Licht beleuchtet wird; die Geräusche von Schüssen aus Handfeuerwaffen; die Geräusche der Verwundeten, die nach einem Sanitäter schreien. Das sind die Dinge, die in der besonderen Stille der Nacht für mich auftauchten. Ich hasste den Sonnenuntergang. Ich haderte und kämpfte mit meiner Schlaflosigkeit. Je mehr ich damit herumkämpfte, desto schwieriger wurden die Nächte. So wandte ich mich zur Linderung dem Alkohol und anderen Drogen (legalen und illegalen) zu, aber mein Leiden wurde nur schlimmer.
Nachdem ich 1983 den Drogen- und Alkoholentzug gemacht hatte, hörte ich auf, mich in Rauschmittel (bzw. in die offensichtlichen Formen von Drogen) zu flüchten. Rückblickend war das wahrscheinlich das allerwichtigste Ereignis in meinem Leben, weil mir das die Gelegenheit gab, mein eigenes Leben zu erfahren und es direkt zu erleben â der einzige Ort, von wo aus Heilung und Transformation beginnen kann.
Einige Jahre nachdem ich trocken geworden war, stand ich in meinem Häuschen in Concord am Küchenwaschbecken und war dabei, Geschirr zu spülen. Ãber dem Waschbecken war ein Fenster, aus dem ich eine Reihe von hohen Kiefern entlang der Einfahrt sehen konnte. Als ich an diesem Tag das Geschirr spülte, beobachtete ich ein Eichhörnchen, das mit dem beschäftigt war, was Eichhörnchen so tun. In diesem Moment hatte ich eine starke Erfahrung. Eine Stimme in mir, die Stimme des Bewusstseins, sagte zu mir: »Du kannst also nicht schlafen. Na und?« Ich begann zu lachen. Es war ein Moment vollkommener Akzeptanz. Ich verstand endlich, dass ich einfach so war, wie ich war. Widerstand zu zeigen, zu kämpfen, zu versuchen, die grundlegende Beschaffenheit meines Lebens zu verändern, all das machte die Sache nur noch schlimmer. Da verstand ich, dass ich einfach lernen musste, mit der Wirklichkeit dessen, wer ich bin, zu leben. In diesem Augenblick entdeckte ich, dass Heilung und Transformation hier inmitten des Leidens und der Verwirrung geschehen können, wenn ich damit aufhören kann, entkommen zu wollen.
Aber ich bin deshalb niemand Besonderes. Auch Sie können das tun. Sie können sich Ihrem eigenen Kummer stellen, Ihren eigenen Verwundungen. Sie können aufhören, sich ein anderes Leben zu wünschen, eine andere Vergangenheit oder eine andere Realität. Sie können aufhören, gegen die Wahrheit Ihres Selbst anzukämpfen. Ein- und ausatmend können Sie sich Ihrer eigenen Erfahrung öffnen. Sie können einfach fühlen, was auch immer da ist, es ergründen, bis auch Sie die Befreiung entdecken, die sich ereignet, wenn wir aufhören zu kämpfen und für unser Leben ganz gegenwärtig werden. Das ist der wahre Pfad zu Frieden und Freiheit. Sie können es für sich tun; Sie können es für Ihre Familie tun. Unsere gesamte Welt wird profitieren.
Nachwort
Von dem Zeitpunkt an, als ich eingeladen wurde, in Deutschland öffentliche Vorträge zu halten und Retreats zu leiten (was lange vor der Veröffentlichung dieses Buches geschah), war ich mir bereits eines starken Zugehörigkeitsgefühls bewusst. Es gab da immer etwas sehr Vertrautes, das ich nicht ganz erfassen konnte.
Im Frühling 1992 oder 1993 â ich kann mich nicht mehr genau an das Datum erinnern â traf ich einen deutschen Dokumentarfilmer. Sein Name ist Jörg Röttger. Jörg kam für die Aufnahme eines Interviews nach Frankreich. Es ging um ein Interview mit dem Abt des Klosters, in dem ich lebte und studierte. Mir war die Aufgabe übertragen worden, Jörg zu begleiten und ihm die Klosteranlage zu zeigen.
Schon bei dieser ersten Begegnung
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