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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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einem Italiener erschossen worden war. Das Loch, das die Kugel ins Hemd gerissen hatte, war geflickt. Ihr habe ich es zu verdanken, dass ich damals am Leben blieb. Sie war eine gute Frau.«
    »Lola ist tot?« Molly blickte ihn erstaunt an.
    Er nickte. »Sie starb vor drei Jahren ... an der Cholera. Auch einige ihrer Mädchen erwischte es. Ich half damals in ihrer Kneipe aus und durfte im Hinterzimmer schlafen. Die meiste Zeit war ich allerdings unterwegs. Du glaubst gar nicht, wo ich überall nach dir gesucht habe. Ich dachte, vielleicht ist sie nach Irland zurückgefahren, um nach dir zu suchen, oder sie will nichts mehr von dir wissen und hat sich irgendwo versteckt. Oder sie ist gar nicht mehr in New York. Wer bleibt denn schon freiwillig in dieser verdammten Stadt? Wo warst du, Little Red?«
    Sie erzählte ihm, was Fanny und sie nach ihrer Ankunft erlebt hatten, berichtete von der Nähstube und wie sie den Posten als Aufseherin abgelehnt und gekündigt hatte. »Ich lasse mir nichts mehr gefallen, Bryan. Nie mehr!«
    »So gefällst du mir, Little Red.« Er küsste sie zärtlich.
    Sie erwiderte seinen Kuss und drängte sich noch einmal dicht an ihn, seufzte zufrieden, als er ihre wieder erwachte Leidenschaft erwiderte und sie erneut in seine Traumwelt entführte. Schwer atmend lagen sie schließlich nebeneinander.
    »Was tust du bei diesen Black Birds?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Ich bin ihr Anführer.«
    Sie rückte von ihm ab. »Bei diesen ... Verbrechern?«
    »Ohne die Black Birds wäre ich nicht mehr am Leben«, erwiderte er. »Ich saß auf der Straße, nachdem sie Lola begraben hatten. Der Deutsche, der nach ihrem Tod die Kneipe übernahm, wollte mich nicht haben. Er ließ mich von seinen Schlägern zusammenschlagen und vor die Tür setzen. Ich wäre wahrscheinlich draufgegangen, wenn mich die Black Birds nicht gefunden hätten. Sie gaben mir zu essen und zu trinken und zeigten mir, worauf es in New York ankommt. Seit einem halben Jahr bin ich ihr Anführer.« Er strich ihr über die strähnigen Haare. »Wir sind keine Verbrecher, Molly. Wir sind aufrechte Iren, die sich gegen das Unrecht wehren, das uns in dieser Stadt widerfährt. Die Deutschen, die Italiener, die Chinesen ... keiner mag uns, schon gar nicht die Amerikaner. Native Americans nennen die sich, eingeborene Amerikaner, als wären sie vor den Indianern hier gewesen. Hast du nicht die Schilder gesehen? Wir Iren brauchen uns gar nicht um Arbeit zu bewerben. Am liebsten würden sie uns alle aus dem Land jagen. Aber da haben sie sich geschnitten. Wir Iren lassen uns nicht unterkriegen! Wir haben unsere Heimat nicht verlassen, damit es uns hier schlechter geht als in Irland.«
    »Das ist wahr, Bryan. Aber ihr ... ihr überfallt Leute!«
    »Keine Iren, Molly.« Er blickte ihr in die Augen. »Nur Amerikaner, Engländer, Deutsche, Italiener und alle anderen, die uns aus dem Land haben wollen. Wir würden niemals einen Iren ausnehmen. Und wir bringen auch keine Menschen um. So weit würden wir niemals gehen.«
    »Und was hätten deine Jungs vorhin mit mir gemacht?«
    »Ricky, Matt und Bill? Tut mir leid, aber die sind erst seit ein paar Tagen bei uns und dachten wohl, sie könnten sich einen Spaß erlauben. Ich werde ihnen ordentlich die Ohren langziehen, das kannst du mir glauben, und sie vielleicht sogar rauswerfen. Verdient hätten es die verdammten Feiglinge! Wenn du willst, lasse ich sie auch herbringen und du kannst ihnen höchstpersönlich die Meinung sagen. Die Black Birds gehen nicht auf Frauen und Kinder los, nicht mal, wenn sie aus England, Italien oder Deutschland kommen.«
    »Der Polizei ist es egal, aus welchem Land ein Opfer kommt«, sagte Molly besorgt. »Die sperren euch ein, wenn sie euch erwischen. Ich hab keine Lust, schon wieder fünf Jahre auf dich zu warten. Oder noch länger. Wer weiß, wie lange die euch ins Gefängnis sperren, wenn ihr einen Unschuldigen beraubt.«
    »Wir lassen uns nicht erwischen.« Bryan klang entschlossen. »Außerdem bleibe ich nicht mehr lange genug hier, um mich einsperren zu lassen. Ich habe genug Geld gespart, um aus New York zu verschwinden. New York ist keine Stadt für mich. Ein Sündenpfuhl ist es, ein großes Gefängnis, in dem sie alle Einwanderer, die kein Geld haben, elend verrecken lassen. Die Reichen bauen sich herrschaftliche Villen und Mietshäuser am Union Square und alle anderen dürfen sich die Absteigen im Süden mit den Ratten teilen und werden dabei noch ausgenommen. Du hast doch

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