Am Ufer (German Edition)
gaben mir den Auftrag, einen Schuppen für Krimskrams zu bauen, einen Kaninchenstall, ein Taubenhaus für die Dachterrasse. Nichts fürs Innere des Hauses, nichts für die Orte, die man auch in den ärmlichsten Häusern für wichtig hält, weil sie Bühnen sind für die Würde oder zumindest die Schicklichkeit. Meine Mutter und die deinige gingen für fremde Leute putzen und waschen, und in der Erntesaison arbeiteten sie beim Orangengroßhandel. Als dein Vater zurückkam, war in der Werkstatt so gut wie nichts mehr, man hatte einen Großteil der Maschinen weggeschafft, auch das Material, und sie hatten die Möbel zertrümmert. Der von deinem Großvater gefertigte Tisch, die Nussbaumstühle und die Schreibtischgarnitur blieben nur erhalten, weil wir sie im Heuschober versteckt hatten. Andere Möbel haben sie fortgeschleppt, einen Schrank, eine Kredenz, sicher veredeln die noch heute irgendein Haus in Olba.«
»Aber hat denn nicht mein Vater diese Möbel gemacht?«
»Der Großvater hatte sie begonnen, aber dein Vater hat sie mit Schnitzwerk versehen.«
»Und danach hat er kein einziges Möbel mehr geschnitzt?«
»Du musst wissen, die Möbel haben wir im letzten Augenblick gerettet, er kam gerade von der Front zurück, konnte sich kaum auf den Beinen halten, aber er, deine Großmutter und ich, wir haben sie zu dritt in den Schober geschafft…«
»Und meine Mutter, war die nicht da, hat sie nicht geholfen?«
»… wir haben die Möbel im Heu versteckt, ein Heuhaufen, der bis zum Dach reichte, wir haben sie mit Arbeitsgerät, Kisten und alten Brettern bedeckt. Sie kamen zum Plündern. Der Begriff Plündern ist albern für die Zerstörung eines Hauses, in dem es kaum etwas zu beißen gab, aber da waren die wenigen Maschinen, das Werkzeug und vor allem (irgendein Nachbar hatte sie wohl informiert) die vom Großvater gefertigten Möbel, sein ganzer Stolz, sein Lebenswerk, das er nicht vollendet sah, der Schatz eines ärmlichen Hauses, sie passten nicht zum Rest des Mobiliars, aber sein Plan war ja, nach und nach das ganze Haus mit seinen Möbeln auszustatten, den Esszimmertisch zu fertigen, die Betten, die Nachttische, die Schränke, in seinen Heften hatte er sie alle gezeichnet, er zeigte sie mir. Die dann kamen, musst du wissen, waren so besoffen, dass sie sich damit amüsierten, den Hühnern nachzujagen und die Kaninchen aus den Ställen zu holen, und so achteten sie gar nicht auf den Heuschober, nahmen wohl an, dass da nur elendiges Zeug zu finden war. Ein Heuhaufen.« Ich betrachtete die Augen meines Onkels, und es war mir, als spiegelte sich in ihnen, was das Kind gesehen hatte.
»Was haben die denn getan? Was haben seine Augen gesehen?«, fragte ich die Mutter.
»Nichts. Er sah sie das Haus plündern, und dann sah er sie noch ein paar Mal betrunken unter dem Fenster vorbeigehen.«
»Und die sind nicht wiedergekommen?«
»Sie kamen noch mal zu einer Durchsuchung, sie suchten nach Waffen, aber es gab keine, das Jagdgewehr deines Großvaters hattenwir vergraben, das, was später dein Onkel benutzt hat und was er dir überlässt, wir hatten es draußen im Olivenhain vergraben, sie suchten auch Papiere und Bücher, die hatten wir aber ein paar Tage zuvor verbrannt oder ebenfalls vergraben.«
»Und sind sie noch mal gekommen?«
»Nein, sie sind nie wieder gekommen«, erwiderte sie, das Gespräch abschneidend.
Man bedenke: Nie wieder, das klingt eigentlich schrecklich, aber unter solchen Umständen hat es etwas Hoffnungsvolles: Sie würden nie wieder kommen. Auch du, Liliana, wirst nicht mehr ins Haus kommen, nie wieder, und in diesem Fall weiß ich nicht, ob das Wort schrecklich oder hoffnungsvoll ist, so wie ich nicht weiß, ob es mir eines Tages gelingt, deine Stimme nicht mehr zu hören. Ich denke schon, am Ende verschwimmt alles, auch wenn bis dahin eine Spanne Zeit vergehen wird, du weißt ja, Groll dauert sehr viel länger als die Liebe; deine Stimme: Nein, heute werde ich Ihnen gar nichts erzählen, Sie sollen sich keine Sorgen machen, ich will nicht, ich habe Ihnen gesagt, ich weine über meine Angelegenheiten, aber fragen Sie nicht nach, ich hab doch gesagt, dass ich nichts erzählen will, und dabei bleibt’s. Aber du hast es mir doch schon gesagt, mit deinen Augen sagst du es mir, heb das Köpfchen, so, ich halte dein Kinn, schau mir in die Augen, wieder diese Tränen, du willst, dass ich mich nicht sorge, und dann sehe ich dich weinen, das geht doch nicht; andersrum wird ein Schuh draus, wenn du
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