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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Chirbes
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Blumen zum Teil die meinen sind, nicht wegen der Liebe, die ich für Leonor empfunden haben mag, noch wegen dem, was von mir in ihr geblieben sein könnte (wir lassen einen Teil von uns in dem, den wir lieben, Speichel, Ausscheidungen, Bakterien und Viren, wir hinterlassen bestimmte Manien und Laster; notgedrungen musste ich in dem gegenwärtig sein, was sie miteinander anstellten, die Erfahrung bei der Berührung, die Kadenz, mit der man bestimmte Hebel im Körper in Bewegung setzt, gewisse Worte, all das haben wir beide zusammen gelernt), sondern weil in diesen Blumen die Leere liegt, die sie mir hinterlassen hat, denn ich bin das, woran es mir mangelt, ich bin meine Mängel, das, was ich nicht bin. Ich höre Leonor: Das hier gehört mir, ich trage es in mir. Es ist eine Angelegenheit, in der nur ich dir erlauben kann, dich einzumischen, und wie du siehst, ich erlaube es nicht. Sie hat sogar abgelehnt, dass ich mich an den Kosten der intimen Metz gerei beteiligte. Ich denke: das blutige Püppchen, das einen Augenblick geschwommen ist; wahr ist aber, ich habe es nicht gesehen, weiß nicht, wie es war, ich spreche aus dem pragmatischen Wissen heraus, wie solche Dinge ablaufen, habe es in Filmen gesehen, in Dokumentationen, in Zeitschriften, aber ich hatte nichts damit zu tun. Ich weiß nicht, wohin sie sich gewandt hat, um das Problem zu lösen, nicht, wer es erledigte, noch an welchem Ort, wen und was sie bezahlt hat. Mir ist der Gedanke lieber, dass sie allein dort hingegangen ist. Dass sie zu dem Zeitpunkt noch allein war. Ich weiß nicht einmal, ob sie danach für ein paar Tage nach Misent zurückgekehrt ist, oder ob sie einfach in den Zug stieg und direkt nach Madrid fuhr; ob sie ihre Flucht vorher vorbereitet und mit ihm etwas vereinbarthatte, oder ob sie ihn, als sie dann dort war, aufgesucht hat. Ich sage, es geschah in einer Wohnung in Valencia, ich glaube sogar, das Zimmer mit den geschlossenen Fenstern in einem der vielen Mietshäuser der Stadt zu sehen, aber nicht einmal das habe ich je erfahren. So wie mein Vater, der mir jahrelang seine Geschichten aus dem Krieg vorenthielt, entschied auch sie, dass mich das nichts anging. Was ging mich je an? Francisco kam aus Madrid, aß etwas in einer der Bars und ging zum Friedhof, bis er den Entschluss fasste, wieder hier zu leben, und während er das Haus restaurierte und allmählich in Besitz nahm, kümmerte er sich kaum noch um das Grab, das offensichtlich als Ausrede gedient hatte, um ihm die Rückkehr zu erleichtern: der Duft der Orangenblüten im Frühling, den Löffel in die Paella stecken, mit dem Segelboot ausfahren an nicht allzu windigen Tagen. Meine Kinder führen ihr eigenes Leben, und hier habe ich sie, mein Einziges; Olba ist ruhig, und wenn man Rummel will, hat man Misent keine zwölf Kilometer entfernt, Benidorm auf fünfzig und Valencia auf knapp hundert. Du kannst sogar das Schiff in Misent nehmen und bist in ein paar Stunden in Ibiza, obwohl dafür, für das, was in Ibiza los ist, müsste man fünfzig oder fünfundvierzig Jahre jünger sein. Er lachte, während er mir zwischen Glas und Glas diesen Schwindel auftischte, mit dem er seine Rückkehr rechtfertigte, dieweil er das Weinglas schwenkte und den Duft von Ginster, von niedrigem Buschwerk, sonnenwarmer Zistrose sowie den Fellgeruch eines freilebenden Tiers entdeckte (alle freileben den Tiere in dieser Gegend haben die Schule besucht – wir machten uns über ihn lustig, wenn er gerade nicht da war, hoben das Weinglas in die Höhe, betrachteten es, schwenkten es unter Geläch ter), nach behandeltem Leder, nach Lohgerberei. Ich sehe ihn vor mir bei den Essen, die er am Samstagvormittag organisierte. Samstags oder sonntags ging ich ja noch manchmal aus dem Haus. Zu diesen Rebhühnern würde ein 86er Marqués de Riscal gut passen, oder ein 88er Tondonia (von einem Latour will ich gar nicht erst sprechen, da sind wir weit entfernt davon), denn, klar, einenUnico von Vega Sicilia werden wir uns nicht leisten können, nicht wahr? Und er ging zu seinem Kühldepot für Weine in dem als Garage und Esszimmer dienenden Raum, den er im Geräteschuppen eingerichtet hatte und vollmundig seine Kellerei nannte: in den edlen Bereich des Hauses stiegen wir nicht hinauf, ein einziges Mal waren wir oben, aber einzeln, die Freunde aus Olba hatten in der Beletage nichts zu suchen, die war für ein anderes Publikum reserviert, und jeder von uns dachte, dass er der Einzige war, der das Privileg genos sen hatte, die

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