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.Am Vorabend der Ewigkeit

.Am Vorabend der Ewigkeit

Titel: .Am Vorabend der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: .Brian W. Aldiss
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sah die Wildheit des unsinnigen Entschlusses in seinen Augen. Sie wußte nicht, ob die Morchel ihm den Befehl gegeben hatte, aber sie wußte, daß es sein sicherer Tod war, wenn er in die Tiefe sprang. Sie umfaßte ihn mit ihren Armen und hielt ihn fest. Er versuchte seinen Stock zu erheben, um sie zu schlagen – und verharrte.
    Der Stelzer begann, in die ewige Nacht hinabzusteigen.
    Hinter ihnen war die untergehende Sonne. Der Gipfel des Berges verdeckte sie halb – dann war sie verschwunden. Es wurde kalt und dunkel.
    Sie waren in der Region des Todes angelangt.
    Yattmur stieß einen Schrei aus und löste sich von Gren. Sie warf sich auf den Boden der Blüte und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
    Gren, von der Morchel dazu inspiriert, sagte:
    »Unsere Welt ist eine Kugel. Die eine Hälfte ist stets der Sonne zugewandt, die andere liegt in ewiger Finsternis. Wir haben die Linie überschritten, die beide Hälften trennt. Das hier ist der Terminator. Dahinter liegt die Nacht.«
    Als er schwieg, schlugen seine Zähne aufeinander. Yattmur sah zu ihm empor. Sie konnte sein Gesicht nur undeutlich sehen, ein weißes, geisterhaftes Gesicht. Es näherte sich ihr, als er sich bückte und sich neben sie setzte.
    Dann nahm er sie in seine Arme und versuchte sie zu trösten.
    Der Geist der Morchel hatte sich zurückgezogen.

21
     
    Felsbrocken und Geröll bedeckten den Boden. Der Stelzer durchschritt ein ausgetrocknetes Flußbett und begann erneut, einen Hang emporzusteigen. Keine Pflanze wuchs hier mehr. Alles war dunkel, still und tot.
    »Wir werden sterben«, begann einer der Fischer zu jammern. »Im Land des Todes kann niemand leben. Großer Hirte, töte uns mit deinem Messer. Es ist gut, schnell zu sterben. Niemand will langsam sterben.«
    Gren achtete nicht auf sie. Erst als es ihm zu bunt wurde und er seinen Stock hob, um sie zu schlagen, hielt Yattmur ihn zurück.
    »Haben sie nicht recht, Gren? Werden wir nicht alle sterben? Wir haben die Welt des Lichtes verlassen. Hier lebt nur der Tod.«
    »Glaubst du, daß die Stelzer hierherkommen, um zu sterben?«
    »Ich weiß es nicht, ich weiß nur, daß ich Schmerzen habe. Im Bauch. Ich bin krank und werde sterben. Hier bestimmt.«
    Sie ahnte nicht, daß die Schmerzen nicht Tod, sondern Leben bedeuteten.
    Gren gab keine Antwort. Unentwegt wanderte der Stelzer weiter über den felsigen Grund. Die gleichmäßige Bewegung und das eintönige Gejammer der Fischer ließen Yattmur endlich einschlafen. Als sie das erstemal erwachte, war alles still. Auch die anderen schliefen. Später, als sie das zweitemal wach wurde, hörte sie Gren leise vor sich hinweinen.
    Beim dritten Erwachen hatte sich die Farbe des Himmels verändert. Er glühte in feurigem Rot. Lodernde Flammen schienen das Zwielicht zu erfüllen. Yattmur richtete sich auf. Sie schwankte zwischen Furcht und Hoffnung.
    »Sieh nur, Gren! Dort brennt es! Was mag das sein?«
    Der Stelzer schritt nun schneller aus.
    Näherte er sich seinem Ziel?
    Was vor ihnen lag, war rätselhaft genug. Es dauerte lange, bis ihre Augen Einzelheiten voneinander unterscheiden konnten. Die Sicht wurde durch einen Gebirgskamm begrenzt. Als der Stelzer weiter bergan wanderte, stieg hinter dem Kamm ein gewaltiges Gebirge auf. Es hatte drei Hauptgipfel. Diese Gipfel waren es, die rot leuchteten.
    Endlich erreichten sie den Grat. Die Aussicht, die sich ihnen bot, war überwältigend.
    Aus ewiger Finsternis wuchs das Gebirge in die Höhe, bis die oberen Regionen im Schein der niemals untergehenden Sonne lagen. Die Gipfel waren lebendige, warme Inseln im Reich des Todes, in das sie ihren rosigen Widerschein warfen.
    Der Stelzer hatte nur einen Augenblick gezögert, dann ging er weiter. Das Gelände fiel wieder ab, aber nicht lange. Dann begann der Hang des großen Gebirges. Von seinem Instinkt geleitet, stieg der Stelzer den leuchtenden Gipfeln entgegen.
    Gren nahm Yattmurs Arm und deutete nach vorn. Andere Stelzer waren zu sehen. Sie hatten alle dasselbe Ziel. Und weil sie sich bewegten, brachten sie Leben in die sonst tote Landschaft. Alle strebten sie dem Licht entgegen.
    Yattmur weckte die Fischer, die beim Anblick der sonnenbeschienenen Gipfel in laute Jubelrufe ausbrachen.
    »Oh, welcher Anblick! Unsere Augen freuen sich.«
    »Es sieht gut aus«, stimmte sie zu.
    »Sehr gut, Hirtin. Dort oben können wir leben, und es gibt keine Gefahren mehr für uns arme Fischer.«
    Yattmur war nicht ganz so optimistisch, aber sie zeigte ihre Skepsis

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