Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
ihrem Blick. Ein Ader pulsierte an ihrer Schläfe, und die Haut über den Gesichtsknochen war so straff gespannt, dass Amanda fast befürchtete, sie könnte reißen.
»Sie verstehen nicht, wie Vincents Hirn funktioniert. Er ist wahnsinnig, er ist erbarmungslos und er hält sich für unfehlbar. Egal, wie schlecht seine Chancen auch stehen, er wird mir auflauern.«
»Jetzt, da alle ein Auge auf ihn haben, wird er kaum etwas versuchen.«
»Das ist ja das Schlimmste, Amanda. Vincent wird sich Zeit lassen, bevor er etwas unternimmt. Er hat vier Jahre gewartet, bis er dieses Komplott gegen mich geschmiedet hat. Jetzt wird er wieder verschwinden und warten, bis alle ihn vergessen haben. Ich werde nie mehr schlafen können. Ich werde kein normales Leben mehr führen können.«
Amanda wollte ihre Mandantin trösten, aber sie wusste, dass Justine Recht hatte. Cardoni war wahnsinnig und er war geduldig, und das war eine tödliche Kombination.
»Ich habe eine Idee«, sagte Amanda. »Erinnern Sie sich noch an Robert Vasquez, den Beamten, der die Hütte in Milton County durchsucht hat? Er ist jetzt Privatdetektiv und arbeitete bei diesem Fall für mich. Vielleicht sollten Sie sich überlegen, ihn als Bodyguard zu engagieren. Ich könnte ihm sagen, dass er Sie vom Gefängnis nach Hause fahren soll.«
»Er ist schuld daran, dass Vincent frei ist, und Sie wollen, dass ich ihn engagiere?«
»Justine, Bobby Vasquez lebt seit vier Jahren mit dieser Schuld. Er hat nichts anderes mehr im Sinn als Vincent zu schnappen. Das wäre nicht irgendein Job für ihn. Sie werden niemanden finden, dem Ihr Schutz mehr am Herzen liegt.“
Amanda bereitete sich eben auf die Anhörung vor, als Vasquez zurückrief. Amanda berichtete ihm von Cardoni. Er klang entsetzt.
»Cardoni kann seinen Drang zum Töten nicht kontrollieren. Wenn wir nichts unternehmen, wird es neue Opfer geben.«
»Hören Sie, Bobby, ich habe Sie engagiert, damit Sie mir bei Justines Fall helfen. Unsere Aufgabe war es, sie zu entlasten, und das haben wir geschafft.«
»Justine zu entlasten war Ihre Aufgabe. Meine ist es, diesen Scheißkerl zu schnappen.«
»Vergessen Sie das sofort! Als Sie das letzte Mal das Gesetz in die eigenen Händen nahmen, haben Sie dem Staatsanwalt den Fall vermasselt.«
Amanda hielt inne, um das eben Gesagte wirken zu lassen.
»Bobby?«
»Ja.«
»Versprechen Sie mir, dass Sie Cardoni nicht auf eigene Faust nachjagen?«
»Keine Angst«, erwiderte Vasquez ein bisschen zu schnell.
Amanda war nicht überzeugt. »Ich hatte noch einen zweiten Grund, warum ich Sie anrief. Justine wird heute Nachmittag aus dem Gefängnis entlassen. Sie hat Angst, dass Cardoni ihr auflauert. Ich glaube, ihre Angst ist berechtigt, und ich habe ihr vorgeschlagen, Sie zu ihrem persönlichen Schutz zu engagieren.«
»Als Bodyguard?«
»Ja. Würden Sie das tun? So bleiben Sie an dem Fall beteiligt, und sie hat wirklich eine Heidenangst.«
»Solange Cardoni auf freiem Fuß ist, hat sie auch jeden Grund dazu.“
52
Um ein möglichst umfassendes Fachwissen zu bekommen, rotierten die Richter in Multnomah County zwischen den einzelnen Abteilungen des Gerichts, sodass jeder eine festgesetzte Zeit lang immer nur eine Art von Verfahren betreute. Drei Richter verhandelten ausschließlich Mordfälle, je nach Belieben ein oder zwei Jahre lang. Justine Castles Fall war Mary Campbell zugewiesen worden, der Richterin, die auch den Dooling-Prozess geleitet hatte.
Um vier Uhr trafen sich die Prozessparteien in Richterin Campbells Büro, sodass Mike Greene erklären konnte, warum er bereit war, Justine Castle ohne Auflagen freizulassen, obwohl sie des vierfachen heimtückischen Mordes angeklagt war. Justine, Amanda und Frank waren für die Partei der Angeklagten anwesend. Der Bezirksstaatsanwalt von Multnomah County begleitete Mike Greene.
»Die Voruntersuchung hat genügend Beweise erbracht, um gegen Dr. Castle Anklage zu erheben«, sagte Richterin Campbell, als Greene geendet hatte. »Das heißt also, Sie müssen hinreichende Gründe für eine Freilassung geltend machen.«
»Ja, Euer Ehren. Unser Problem ist, dass die sehr reale Möglichkeit besteht, dass Dr. Castle Opfer eines Komplotts ihres Exgatten wurde.« »Und es gab keine Möglichkeit, ihn festzuhalten?« »Nein, Euer Ehren. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht.« »Das macht die Sache kompliziert. Es widerstrebt mir, den Täter dieser Verbrechen freizulassen, aber ebenso widerstrebt es mir, eine unschuldige Frau im
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