Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
zulässig ist, ist das reine Spekulation. Ich kann niemanden nur auf eine Vermutung hin verhaften.«
»Verdammt, es muss doch einen Weg geben!«, murmelte McCarthy in sich hinein. Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. »Fiori! Cardoni hat Dr. Fiori angegriffen. Wir können ihn wegen tätlichen Angriffs verhaften.«
»Ich fürchte nicht. Cardoni sagt, Fiori habe ihn verfolgt. Fiori gibt zu, Cardoni mit einem Skalpell in den Keller gefolgt und als Erster tätlich geworden zu sein. Cardoni plädiert auf Notwehr. Hört zu, Jungs, wir sind all diese Argumente unzählige Male durchgegangen. Es kommt immer dasselbe raus. Es gibt in diesem Büro keinen Menschen, der Vincent Cardoni nicht für ein mörderisches Monster hält, aber die traurige Wahrheit ist, dass wir nicht genug Beweise haben, um ihn festzuhalten. Wir haben Bishop bereits die schriftliche Zusicherung gefaxt, dass wir Cardoni binnen vierundzwanzig Stunden nach diesem Treffen nicht verhaften werden.«
»Wenn wir nicht genügend Beweise haben, um ihn zu verhaften, warum will sich Cardoni dann mit Ihnen treffen?«, fragte DeVore.
Bevor Greene antworten konnte, summte die Gegensprechanlage, und die Sekretärin meldete, dass Dr. Cardoni und Roy Bishop im Vorzimmer warteten. Greene bat sie, die beiden ins Konferenzzimmer zu führen. Dann wandte er sich wieder an DeVore.
»Das können Sie ihn selber fragen.«
Vincent Cardoni nahm Mike Greene gegenüber an dem langen Konferenztisch Platz. Auf seiner Wange prangte eine mit mehreren Stichen vernähte Wunde. Roy Bishop, ein großer Mann mit gestylten braunen Haaren, setzte sich neben seinen Mandanten. Sean McCarthy musterte den Chirurgen eingehend. Er konnte es kaum glauben, dass dies der Mann war, den er vor vier Jahren verhaftet hatte. »Guten Morgen, Mr. Cardoni«, sagte McCarthy.
»Ich sehe, Sie sind immer noch so höflich wie damals bei meiner Verhaftung.«
»Ich bin zwar ein bisschen grauer geworden, habe mich aber ansonsten nicht verändert. Sie allerdings schon.«
Cardoni lächelte.
»Lassen Sie uns doch gleich zur Sache kommen, Roy!«, sagte Greene. »Ich möchte sehr gerne wissen, warum Ihr Mandant mit mir reden will.«
»Das ist auch für mich ein Geheimnis, Mike. Dr. Cardoni hat mir seine Gründe nicht anvertraut.«
»Ich hoffe, Sie haben vor zu gestehen, Doktor«, sagte Greene. »Das würde uns eine Menge Schwierigkeiten ersparen.«
»Es gibt für mich nichts zu gestehen. Im Gegensatz zu dem, was Sie glauben, habe ich keinen Menschen umgebracht. Justine hat diese Menschen im Farmhaus ermordet, und sie ist auch verantwortlich für die Opfer in Milton County.«
»Und wer ist verantwortlich für die Amputation Ihrer Hand?«, fragte McCarthy.
Cardoni hob die rechte Hand und schob den Ärmel zurück. Jeder im Raum starrte auf die gezackte Narbe an seinem Handgelenk.
»Das habe ich selber getan«, sagte Cardoni.
»Plastische Chirurgie, eine falsche Identität und Selbstverstümmelung? Das ist ein ziemlich extremes Verhalten für einen Unschuldigen.«
»Ich war verzweifelt. Ich sah keine andere Möglichkeit mehr, um am Leben zu bleiben.«
»Wollen Sie uns das erklären?«, fragte Greene.
Cardoni sah den Staatsanwalt und dann die beiden Detectives an.
»Ich sehe, dass Sie mir nicht glauben, aber ich schwöre, dass ich die Wahrheit sage. Justine war Clifford Grants Partner bei dem Schwarzhandel mit Organen. Sie tötete ihn und schob es dann mir in die Schuhe, damit Martin Breach dachte, ich sei derjenige, der ihn betrogen hat.«
Cardoni atmete tief durch. Als er weiter redete, starrte er die Tischplatte an.
»Sie haben Justine gesehen. Sie ist schön und intelligent, und sie war mir immer zwei Schritte voraus. Justine kannte jede meiner Schwächen. Sie wissen, ich bin kein Heiliger. Der Druck während des Medizinstudiums war zu viel für mich. Ich habe alle möglichen Drogen genommen um zurechtzukommen, und sie hätten mich beinahe zerstört. Der Kampf gegen meine Sucht war sehr anstrengend, und es war sehr leicht, ihr wieder zu erliegen, als Justine mir Kokain kaufte. Ich merkte überhaupt nicht, dass sie versuchte, mich kaputtzumachen. Bis es zu spät war. Ich wusste auch nicht, warum sie sich so intensiv mit Clifford Grant abgab, bis ich von Frank Jaffe erfuhr, dass Grant für Martin Breach Spenderorgane besorgt hatte. Er erzählte mir von der Razzia auf dem Flugplatz. Justine war Grants stummer Teilhaber. Sie drehte die ganze Sache aber so, dass Breach dachte, ich sei es. Kurz nachdem
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