Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
Gründliche Durchsuchungen seines Spinds im Krankenhaus und seiner Wohnung ergaben keinen Hinweis auf Cardonis Aufenthaltsort.
Während Mike Greene auf die neuesten Ermittlungsergebnisse in dem Fall wartete, vertrieb er sich die Zeit, indem er eine Schachpartie zwischen Judit Polgar und Viswanathan Anand bei einem Turnier analysierte, das vor kurzem in Madrid stattgefunden hatte. Er studierte eben die Schlüsselstellung des Spiels, als das Telefon klingelte. Greene drehte sich mit seinem Stuhl herum und griff zum Hörer.
»Mike Greene hier.«
»Hi, Mike. Hier ist Roy Bishop.«
Bishop war ein arroganter Strafverteidiger, der in dem starken Verdacht stand, seinen Klienten ein wenig zu freundschaftlich verbunden zu sein.
»Was gibt's, Roy?«
»Ich rufe im Auftrag eines Mandanten an, eines Mannes, von dem ich weiß, dass Sie mit ihm reden wollen. Er möchte sich mit Ihnen treffen.«
»Um wen handelt es sich?«
»Vincent Cardoni.«
Greene richtete sich auf.
»Wenn Sie wissen, wo Cardoni steckt, sollten Sie es mir besser sagen. Es kann Sie die Zulassung kosten, wenn Sie einem Flüchtigen Unterschlupf gewähren.«
»Immer mit der Ruhe, Mike! Ich habe mit Cardoni nur telefoniert. Ich habe keine Ahnung, wo er ist.«
»Will er sich stellen?«
»Er hat mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass er sich mit Ihnen nur treffen will, wenn er die schriftliche Garantie erhält, dass er nicht verhaftet wird, sobald er auftaucht, und dass nichts, was er sagt, gegen ihn verwendet wird.« »Das ist unmöglich. Der Mann ist ein Serienmörder.«
»Er behauptet, dass er das nicht ist. Aber auch wenn er einer ist -nach dem, was er mir gesagt hat, haben Sie keine Gründe, ihn verhaften zu lassen.«
Mike Greene sah blass und abgespannt aus, als Alex DeVore und Sean McCarthy am nächsten Morgen in sein Büro kamen.
»Vincent Cardoni wird in einer halben Stunde hier sein«, verkündete Greene. Er klang erschöpft.
DeVore machte ein verblüfftes Gesicht. McCarthy fragte: »Er stellt sich selber?«
Greene schüttelte den Kopf. »Er kommt nur her, um zu reden. Ich musste ihm garantieren, dass wir ihn nicht festnehmen.«
»Sind Sie verrückt?«, rief DeVore.
»Ich war gestern Abend bis zehn im Büro und bin schon wieder seit sieben hier und habe die Geschichte mit Jack, Henry Buchanan und Lilian Po durchgekaut«, erwiderte Greene und meinte den Obersten Bezirksstaatsanwalt von Multnomah County, seinen Ersten Stellvertreter für Strafrecht und die Leiterin der Revisionsabteilung. »Wir haben keine Möglichkeit, ihn zu verhaften.«
»Er hat in dem Farmhaus vier Menschen umgebracht«, sagte McCarthy.
»Er hat sein Aussehen verändert und gelogen, um einen Job im St. Francis zu bekommen, damit er den Kaffeebecher, das Skalpell und die Kleidung stehlen konnte«, argumentierte DeVore. »Er hat auch all diese Leute in Milton County umgebracht.«
»Das ist alles nicht stichhaltig. Cardoni hatte zwar Zugang zu den Gegenständen, die wir im Farmhaus gefunden haben, aber wir können ihm nicht beweisen, dass er sie tatsächlich gestohlen und dort deponiert hat. Es gibt kein einziges Indiz, das Cardoni mit dem Farmhaus oder den Opfern in Verbindung bringt. Glaubt mir,
Jungs, wir haben das immer und immer wieder durchgekaut. Ich bin genauso frustriert wie ihr.«
»Was ist mit der Sache in Milton County? Er steht doch dort immer noch unter Anklage«, sagte McCarthy.
Mike machte ein mürrisches Gesicht.
»In Milton County wurde ein Riesenmist gebaut, ein ganz unglaublicher Bockmist. Der Richter unterzeichnete eine Anordnung, mit der er Cardonis Antrag auf Nichtzulassung stattgab, und legte sie in der Geschäftsstelle des Gerichts zu den Akten. Fred Scofield hatte dreißig Tage Zeit, um gegen diese Anordnung Einspruch zu erheben, wenn er nicht wollte, dass sie rechtsgültig wurde. Während dieser dreißig Tage verschwand Cardoni, und seine Hand wurde in der Hütte gefunden. Alle dachten, er sei tot, und Scofield vergaß, seinen Einspruch zu erheben. Das heißt, Richter Brodys Anordnung ist rechtsgültig, und kein Beweisstück, das in der Berghütte oder in Cardonis Haus in Portland sichergestellt wurde, darf in einem Prozess verwendet werden. Ohne diese Beweise gibt es keinen Milton-County-Fall.«
»Das glaube ich einfach nicht«, sagte McCarthy. »Soll das heißen, es gibt keine Möglichkeit, Cardoni ins Gefängnis zu stecken? Er hat mindestens ein Dutzend Leute auf dem Gewissen.«
»Solange Sie keinen Beweis haben, der vor Gericht
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