Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
Opfers. Nur der Mörder konnte dieses Tagebuch haben. Ich fuhr also vor dem angegebenen Zeitpunkt zu diesem Rastplatz, um ihm eine Falle zu stellen, doch dabei habe ich mich selber überlistet: Der Mörder war vor mir da, und ich wurde von einem Betäubungspfeil getroffen.«
Amanda hob die Hand, als wollte sie den Verkehr anhalten. »Bitte. Wenn Sie mir jetzt sagen wollen, dass Bobby Vasquez der Mörder ist, verlasse ich sofort dieses Zimmer.«
»Nein, nein. Ich wusste überhaupt nicht, dass er mir zu dem Rastplatz gefolgt war, bis McCarthy mich nach dem Mord an Justine verhörte.«
»Und wer war es dann? Der Butler?«
Cardoni erwiderte ihren Sarkasmus mit einem vernichtenden Blick. Dann verschwand seine Wut wieder, und er wirkte niedergeschlagen. Amanda verschränkte die Arme vor der Brust, blieb aber sitzen.
»Als ich nach der Betäubung zum ersten Mal aufwachte, war ich in völliger Dunkelheit und desorientiert. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob das wirklich so war. Ich meinte, ein Licht zu sehen, und ich glaube, dass mir jemand noch eine Spritze verpasste. Dann wurde ich wieder ohnmächtig. Es muss sehr viel Zeit vergangen sein. Als ich das zweite Mal zu mir kam, war ich in Justines Küche. Ich erinnere mich daran, dass Fiori auf mich schoss. Danach wachte ich erst wieder im Krankenhaus auf.«
Amanda stand auf. »Das war eine sehr interessante Geschichte, Dr. Cardoni. Ich würde vorschlagen, Sie versuchen, sie nach Hollywood zu verkaufen. Vielleicht können Sie in der Todeszelle ja noch Karriere als Schriftsteller machen.«
»Ich habe Beweise. Lassen Sie mein Blut untersuchen! Im Krankenhaus wird vor jeder Operation Blut abgenommen. Das Krankenhaus soll nach Spuren von Betäubungsmitteln suchen. Ich war noch stark sediert, als Fiori auf mich schoss.«
»Das soll Ihr Anwalt veranlassen. Unsere Sozietät vertritt Sie nicht mehr.«
Amanda drückte auf den Knopf neben der Tür.
»Ich weiß, wer Justine umgebracht hat«, rief Cardoni ihr nach. »Es war Ihr Freund, Tony Fiori.«
Amanda lachte schallend auf. »Wenn ich Sie wäre, würde ich mich an den Butler halten. Das klingt um einiges glaubhafter.«
»Er versuchte doch schon im Krankenhaus, mich umzubringen«, rief Cardoni verzweifelt. »Dann schoss er in Justines Haus auf mich. Ich lag auf dem Boden, als er durch die Tür kam. Ich war kaum bei Bewusstsein. Warum sollte er auf jemanden schießen, der keine Bedrohung für ihn darstellte? Ich glaube, er wollte mich töten, um die Ermittlungen zu stoppen. Ich glaube, er fürchtete, die Polizei würde herausfinden, dass ich unschuldig bin, wenn sie diese Morde weiter untersuchte.«
Amanda drehte sich zu Cardoni um. Die Angst, die sie anfangs empfunden hatte, war längst kaltem Hass gewichen. »Er hat auf Sie geschossen, weil Sie versucht haben, ihn umzubringen, Dr. Cardoni. Ich habe Ihre Waffe gesehen.«
»Ich habe nie einen Schuss abgegeben. Das schwöre ich.“
Amanda klopfte an die Tür, und der Polizist öffnete ihr sofort. Sie drehte sich noch einmal zu Cardoni um.
»Ich war mit Tony zusammen, als Justine von ihrem Haus aus anrief und mich bat, zu ihr zu kommen. Zu dieser Zeit war sie noch am Leben, aber als Tony und ich bei ihr ankamen, war sie tot. Sie waren die einzige andere Person im Haus. Sie haben versucht, Tony zu töten, und Sie haben Justine umgebracht.«
»Miss Jaffe, bitte!«, flehte Cardoni. Aber Amanda hatte das Zimmer bereits verlassen.
60
Amanda war wütend auf sich selbst, weil sie Cardoni besucht hatte, und wütend auf den Chirurgen, weil er so wenig von ihr hielt, dass er es wagte, ihr eine so lächerliche Geschichte aufzutischen. Auf der Rückfahrt zum Stockman Building überlegte sie, was Cardoni alles gesagt hatte, das ihn belastete. Er hatte gestanden, den Becher, das Skalpell und die OP-Haube im Farmhaus deponiert zu haben. Das brachte ihn zwar mit dem Schauplatz von vier Morden in Verbindung, bewies aber nicht, dass er jemanden getötet hatte. Amanda wollte noch mehr. Justines Tod verlangte es. Beim Einparken erinnerte sich Amanda an die Morde in Ghost Lake, die Bobby Vasquez auf seiner Liste aufgeführt hatte. Später an ihrem Schreibtisch startete sie eine Internetsuche. Sie fand mehrere Artikel über Betty Francis, eine Abschlussschülerin der Sunset High School, die vor siebzehn Jahren während eines Skiurlaubs in den Winterferien verschwunden war, und über Nancy Hamada, eine Studentin an der Oregon State, die im Jahr darauf verschwand, ebenfalls während eines
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