Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
etwas merkten. Du warst in deinem zweiten Jahr an der High School, als Ernie und ich Dom baten, die Kanzlei zu verlassen. Das war eine üble Szene. Zwei Tage später kam ein Detective ins Büro. Es waren gerade Winterferien, und wir wollten eigentlich Skiurlaub machen, aber ich musste die Reise absagen, erinnerst du dich noch?«
Amanda nickte.
»Dom hatte eine Skihütte in den Bergen ...«
»In der Nähe von Ghost Lake, nicht?«
Frank nickte, und Amanda spürte Übelkeit in sich aufsteigen.
»Der Detective sagte uns, dass die Hütte abgebrannt sei. Dom und eine junge Frau waren drinnen, als das Feuer ausbrach. Die Polizei fand heraus, dass es Brandstiftung war.«
»Wo war Tony?«, fragte Amanda und musste ihren ganzen Willen zusammennehmen, um es beiläufig klingen zu lassen.
»Er war während der Winterferien in Mexiko. Ich war derjenige, der ihn anrufen und ihm sagen musste, dass sein Vater tot ist.«
Frank schüttelte traurig den Kopf, als er sich an den Anruf erinnerte.
»Du hast also persönlich mit ihm gesprochen?«
»Nicht sofort. Wenn ich mich richtig erinnere, hinterließ ich in seinem Hotel eine Nachricht mit der Bitte um Rückruf. Ich glaube, er meldete sich dann einen oder zwei Tage später. Dann flog er nach Hause.«
»Was haben der Mord an seinem Vater oder dessen Probleme damit zu tun, dass du Tony nicht magst? Die Sünden seines Vaters kannst du ihm schlecht vorwerfen.«
Frank überlegte einen Augenblick, bevor er antwortete.
»Was Tony geschafft hat, nämlich Arzt zu werden, ist bewundernswert, aber so aufzuwachsen, wie er es tun musste, kann einen Mann prägen; das hinterlässt Narben. Manchmal bleiben diese Narben für immer, und sie halten einen Mann davon ab, je herauszufinden, wie er mit einer Frau umgehen soll. Tonys Vater war Alkoholiker und Weiberheld, und er neigte zu körperlichen Misshandlungen. Das ist die Lektion, die er Tony beigebracht hatte. Als du mir sagtest, dass Tony mit dir ausgeht und gleichzeitig mit einer anderen Frau schläft, musste ich an die Art denken, wie Dom Frauen behandelt hatte.«
Amanda stand auf. Sie fühlte sich sehr schwach auf den Beinen.
»Danke, Dad. Ich muss jetzt gehen.«
»Okay. Ich hoffe, ich habe dich nicht durcheinander gebracht.«
»Nein, alles okay.«
Amanda zeigte ein Lächeln und hoffte, dass es ihre Angst überdeckte. Dann drehte sie sich um und verließ das Büro. Sie musste sich sehr zusammennehmen, um nicht zu rennen.
61
Der Pfleger vor dem Sicherheitstrakt hob den Kopf, als zwei Männer, die weiße Kittel über salopper Kleidung trugen, aus dem Aufzug stiegen. Dimitri Novikov und Igor Timoshenko stritten sich über die diesjährigen Chancen der Seattle Mariners. Sie hatten beide Tassen mit Kaffee in der Hand. Timoshenko trug ein Stethoskop um den Hals. Der Pfleger entspannte sich. In diesem Augenblick drückte Novikov dem Mann seine schallgedämpfte Pistole an die Schläfe. »Bitte klingeln Sie Ihrem Freund da drinnen«, bat Dimitri höflich in fast akzentfreiem Englisch. »Sobald Sie es tun, lasse ich meine Pistole sinken, aber mein Begleiter ist ebenfalls bewaffnet, und er erschießt Sie, wenn es irgendwelche Probleme geben sollte.«
Kaum hatte der Pfleger auf den Knopf gedrückt, verschwand die Waffe. Einen Augenblick später tauchte ein Gesicht hinter dem kugelsicheren Glas in der Tür auf.
»Wir sind hier, um Dr. Cardoni zu untersuchen«, sagte Novikov in die Gegensprechanlage neben der Tür. Dann drehte er sich zu Timoshenko um und wiederholte seine Meinung, dass die Mariners keine Chance hätten, in ihrer Liga zu gewinnen.
»Die haben doch keine vernünftigen Werfer«, sagte er.
Er war eben dabei, sich über die erbärmliche Erfolgsstatistik dieser Werfer auszulassen, als die Tür aufging. Er unterbrach seine Suada gerade so lange, um dem zweiten Pfleger die Waffe in den Bauch zu drücken.
»Ein falsches Wort, und ich töte Sie. Bringen Sie uns zu Dr. Cardonis Zimmer!«
Der Pfleger riss erstaunt die Augen auf. Dann drehte er sich wortlos um und ging den Gang entlang. Er war so verängstigt, dass er das Pfft von Timoshenkos schallgedämpfter Pistole überhaupt nicht hörte. Timoshenko zog die Tür zum Sicherheitstrakt zu, schloss sie ab und folgte Novikov und dem Pfleger. Auf der anderen Seite der Tür breitete sich aus einer tödlichen Kopfwunde Blut auf dem Schreibtisch des ersten Pflegers aus.
Timoshenko und Novikov waren zwei Russen, die in Seattle lebten. Martin Breach hatte sich schon bei einigen speziellen
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