Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
Aufgaben ihrer Fähigkeiten bedient. Am Abend zuvor hatten sie sich mit Art Prochaska in einer Videothek in Vancouver, Washington, getroffen. Prochaska hatte ihnen funfundzwanzigtausend Dollar gezahlt und noch einmal die gleiche Summe versprochen, wenn sie Cardoni lebendig und relativ unverletzt bei seinem Boss ablieferten. Er hatte den Russen einen Grundriss des Krankenhauses und einen detailgenauen Plan des Sicherheitstraktes gegeben. Ein Aufzug innerhalb dieses Traktes wurde benutzt, um Gefangene zu verlegen. Ein Krankenwagen, der von einem dritten Russen gesteuert wurde, parkte vor einer Seitentür des Krankenhauses. Novikov und Timoshenko brauchten nicht anderes zu tun als sich Zugang zu Cardonis Zimmer zu verschaffen, ihn zu betäuben und im Aufzug nach unten zu schaffen. Breach war es egal, wie sie diese Aufgabe lösten, wenn sie ihm nur ihre Fracht ablieferten.
Der Polizist, der vor Cardonis Zimmer saß, war überrascht, als er zwei Ärzte sah, die hinter dem Pfleger den Gang entlangkamen. Er kannte den Zeitplan auswendig, und um zwei Uhr morgens sollte eigentlich niemand mehr den Gefangenen untersuchen. Der Beamte stand auf und machte einen Schritt nach vorn, bevor Timoshenko ihn in die Stirn schoss. Blut aus der Austrittswunde spritze auf das Fenster in der Tür zu Cardonis Zimmer. Der Pfleger drehte sich halb um, war aber tot, bevor er die Drehung vollenden konnte. Es war immer das Beste, keine Zeugen zu hinterlassen.
Novikov nahm dem Pfleger die Schlüssel ab und öffnete leise die Tür. Er steckte die Pistole in die Tasche seines weißen Kittels und zog eine Spritze heraus. Im Zimmer war es dunkel, aber unter der Bettdecke konnte Novikov die Umrisse eines Mannes erkennen. Er bewegte sich vorsichtig, weil er Cardoni nicht wecken wollte. Prochaska hatte sehr deutlich gemacht, dass es kein Geld mehr geben würde, wenn sie Cardoni töteten oder schwer verletzten, und der Russe hatte wenig Lust, Breach einen Misserfolg melden zu müssen.
Cardoni steckte vom Kopf bis zu den Zehen unter der Zudecke. Novikov musste ans Bett treten, um in dem dunklen Zimmer den Haarschopf des Chirurgen erkennen zu können. Langsam zog er die Decke zurück. Er bückte sich eben, um Cardoni die Spritze zu geben, als der Chirurg dem Russen eine Sprungfeder durchs Ohr ins Hirn stieß. Eine Sprungfeder, die er aus der Matratze seines Betts herausgerissen und in stundenlanger Arbeit gerade gebogen und geschärft hatte, während er seine Flucht plante. Die Spritze fiel zu Boden und zerbrach. Cardoni fing den Russen auf, der noch ein paar Mal zuckte und dann schlaff zusammensank.
Timoshenko schaute den Gang entlang und dann durch das Guckfenster, um zu kontrollieren, was sein Partner machte. Novikovs Körper schützte Cardoni vor Timoshenkos Blick, dessen Sicht von dem Blut auf der Scheibe in der Stahltür zusätzlich behindert wurde. Cardoni ließ Novikovs Leiche aufs Bett sinken und tastete nach dessen Waffe, während Timoshenko langsam merkte, dass in dem dunklen Zimmer etwas nicht nach Plan lief. Cardoni erschoss den Russen, als der zur Tür hereinkam.
Nachdem der Chirurg sich versichert hatte, dass seine Angreifer tot waren, zog er Novikov aus, weil der in etwa seine Größe hatte und seine Kleidung nicht mit Blut bespritzt war. Wenig später trug Cardoni Straßenkleidung und einen weißen Arztkittel. Ein Stethoskop hing um seinen Hals. Er fuhr mit dem Aufzug ins Erdgeschoss und verließ das St. Francis Medical Center.
Sean McCarthys Anruf um halb sechs riss Mike Greene aus dem Tiefschlaf. Benommen griff er nach dem Hörer, doch die Nachricht von Cardonis Flucht wirkte wie ein doppelter Espresso. Greene war so abgelenkt, dass er sich an die Fahrt durch die dunklen Straßen Portlands kaum erinnerte. Das Erste, was er wieder bewusst wahrnahm, war der große Fleck auf dem Tisch vor dem Sicherheitstrakt. Er erschauerte unwillkürlich, als er sich durch die Ermittlungsbeamten zwängte, die den Gang vor Cardonis Zimmer verstopften. Sean McCarthy sprach gerade mit einem Fingerabdruckexperten. Ein Polizist und ein Mann in Pflegerkleidung lagen wenige Schritte von dem Detective entfernt in Blutlachen auf dem grünen Linoleumboden. Greene roch die toten Männer, bevor er sie sah. Er hob den Blick zur Decke, um sie nicht direkt ansehen zu müssen.
Sobald McCarthy den Stellvertretenden Bezirksstaatsanwalt sah, ging er zu ihm und begrüßte ihn.
»Gehen wir hier raus!«, sagte McCarthy. »Ich brauche einen Kaffee.«
»Wie ist er
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