Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
widersprach Cross nicht. Sie hatte noch nie einen Zeugen befragt und war erleichtert, dass Herb dies übernahm.
Das fensterlose Besprechungszimmer war schmal und stickig, schwacher Schweißgeruch hing in der Luft. Eine flackernde Neonröhre hing über Regalen mit medizinischen Büchern und Zeitschriften. Justine Castle saß auf der einen Seite eines Konferenztisches und trank eine Tasse schwarzen Kaffee. Sie hatte einen Großteil des Nachmittags im Operationssaal verbracht und wirkte jetzt erschöpft auf Amanda. Die Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammen-gefasst, und sie trug kein Make-up.
»Ich bin Herb Cross, Frank Jaffes Ermittler. Wir haben miteinander telefoniert. Das ist Amanda Jaffe. Sie ist Anwältin in der Kanzlei.«
»Wir haben uns im YMCA kennen gelernt«, erinnerte Amanda Justine Castle, die sie offensichtlich nicht wiedererkannte. »Sie waren mit Tony Fiori zusammen.«
»Ach ja«, erwiderte Castle beiläufig. »Tonys Freundin von der High School.«
Die kühle Reaktion überraschte Amanda, aber sie ließ es sich nicht anmerken.
»Ich möchte Ihnen danken, dass Sie sich Zeit für uns nehmen, Dr. Castle«, sagte Herb Cross.
»Ich rede mit Ihnen nur, um nicht unhöflich zu sein, Mr. Cross. Ich habe nichts zu sagen, was Ihrem Mandanten helfen könnte. Unsere Scheidung verläuft nicht freundschaftlich, und ich finde Vincent abstoßend.«
»Und doch haben Sie ihn geheiratet«, sagte Cross. »Früher müssen Sie doch etwas Gutes in ihm gesehen haben.«
Justine lächelte wehmütig. »Vincent kann sehr charmant sein, wenn er nicht zugekokst ist.“
Amanda und Cross setzten sich Dr. Castle gegenüber. Amanda legte sich Block und Stift zurecht.
»Sie haben den Zeitschriftenartikel über die Morde in Milton County gelesen«, sagte Herb zur Eröffnung. »Hat Dr. Cardoni je etwas gesagt oder getan, das in Ihnen den Verdacht aufkommen ließ, er töte diese Leute?«
»Mr. Cross, wenn ich auch nur den geringsten Verdacht gehabt hätte, dass mein Mann so etwas tut, hätte ich sofort die Polizei gerufen.«
»Glauben Sie, er ist fähig zu dieser Art von Gewalt?«
»Vincent ist ein gewalttätiger Mann«, antwortete sie ohne Zögern. »Ich nehme an, Sie kennen meine Zeugenaussage vor Gericht.«
»Sie haben ausgesagt, dass er Sie geschlagen und vergewaltigt hat.«
»Von Vergewaltigung und tätlichem Angriff ist es nicht mehr sehr weit bis zum Mord.«
»Die Morde in Milton County waren keine Verbrechen aus Leidenschaft«, sagte Cross. »Das waren wohl durchdachte sadistische Handlungen.«
»Vincent ist ein Sadist, Mr. Cross. Die Vergewaltigung war sehr methodisch. Und die Schläge waren kein Produkt wahnsinnigen Zorns. Vincent sah sehr zufrieden aus, als er mit mir fertig war.«
»Dr. Cardoni leugnet, sie vergewaltigt oder geschlagen zu haben.«
»Natürlich leugnet er es. Sie erwarten doch nicht, dass er es zugibt, oder?«
»Haben Sie die Vergewaltigung bei der Polizei angezeigt oder medizinische Hilfe gesucht?«
Justine machte ein empörtes Gesicht. »Sie meinen, ob ich beweisen kann, dass Vincent mich vergewaltigt hat?«
»Es ist meine Aufgabe, die Fakten eines Falles zu überprüfen.«
»Wir wollen uns doch nichts vormachen, Mr. Cross! Ihre Aufgabe ist es, mich so weit zu bringen, dass ich etwas sage, das Vincent helfen könnte, der Strafe zu entgehen, die er verdient. Aber um Ihre Frage zu beantworten, nein, ich habe die Vergewaltigung nicht angezeigt und ich habe auch keine medizinische Hilfe gesucht. Somit steht Vincents Wort gegen meines. Doch dies schreckt mich nicht im Geringsten.«
»Dr. Castle, wussten Sie, dass Ihr Gatte ein Haus in Milton County besitzt?«
»Das hat mich die Polizei auch schon gefragt. Wenn ihm dieses Anwesen gehört, hat er mir nie etwas davon gesagt.«
»Ihr Scheidungsanwalt hat bei seiner Suche nach Dr. Cardonis Vermögen keine Hinweise auf dieses Haus oder auf Northwest Realty gehörende Immobilien gefunden?«
»Nein.«
»Kannten Sie Dr. Clifford Grant?«
Bei dieser Frage machte Justines Verärgerung einer müden Traurigkeit Platz.
»Der arme Clifford«, sagte sie. »Er war mein Tutor, bis die Verwaltung ihm immer mehr seiner Pflichten abnahm. Wobei es ihnen nicht zu verdenken ist. Er konnte einfach das Trinken nicht lassen. Deshalb hatte ihn auch seine Frau verlassen, und danach trank er noch mehr. Dann gab es diesen Vorfall im OP. Er hätte beinahe einen vierjährigen Jungen umgebracht.«
»Und doch habe ich den Eindruck, dass Sie Dr. Grant
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