Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
mochten.«
Justine zuckte die Achseln. »Er musste seine Scheidung durchstehen, als er meine Assistenzzeit beaufsichtigte. Wir gingen hin und wieder miteinander zum Essen. Er vertraute mir und schüttete mir ab und zu sein Herz aus.«
Sie hielt inne und richtete den Blick in die Ferne. »Ich frage mich immer wieder, ob ich vielleicht für seinen Tod verantwortlich bin.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Vincent und Clifford lernten sich erst näher kennen, als wir beide verlobt waren. In den Zeitungen steht, sie hätten Organe für den Schwarzmarkt besorgt. Ich frage mich, ob Clifford Vincent getraut hätte, wenn ich sie nicht zusammengebracht hätte.«
»Was können Sie uns über den Vorfall mit Mary Sandowski sagen?«, fragte Cross.
»Ich war dabei, als er auf sie losging. Die arme Frau war sprachlos vor Angst. Er hatte sie am Arm gepackt und schrie sie an.«
»Wissen Sie, warum er so wütend war?«
»Mary erzählte mir, er habe während einer Operation einen Fehler gemacht, und als sie ihn zu warnen versuchte, sei er auf sie los gegangen. Ich bin mir sicher, dass sie Recht hatte.«
»Warum?«
»Ich habe Vincents Augen gesehen. Er war völlig zugekokst.«
»Was für einen Ruf hat Ihr Mann unter den anderen Ärzten des St. Francis?«
»Ich kann nicht für die anderen sprechen. Wenn Sie Klatsch wollen, sollten Sie mit Carleton Swindell reden, dem Verwaltungschef des Krankenhauses. Ich weiß allerdings, dass die Ärztekammer mehrere Kunstfehlervorwürfe prüft, die wahrscheinlich berechtigt sind. Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich ihn nicht mehr in einen Operationssaal lassen. Ich halte ihn für drogensüchtig und inkompetent.«
»Er ist außerdem reich, nicht?«
Justine hob argwöhnisch eine Augenbraue. »Na und?«
»Ich will Sie nicht beleidigen, Dr. Castle, aber stimmt es denn nicht, dass Ihnen bei der Scheidung eine Menge Besitz und Geld zufallen würden, falls Ihr Mann wegen Mordes verurteilt wird?«
Justine schob den Stuhl zurück und stand auf.
»Alles, was ich aus dieser Ehe mitnehme, habe ich verdient, glauben Sie mir das! Und jetzt muss ich dieses Gespräch leider beenden. Ich habe seit heute Morgen durchgearbeitet und brauche dringend etwas Ruhe.“
»Was denken Sie?«, fragte Amanda, als sie zum Aufzug gingen.
»Ich denke, dass Dr. Justine Castle eine sehr wütende Frau ist.«
»Wären Sie das nicht auch, wenn man Sie geschlagen und vergewaltigt hätte?«
»Dann glauben Sie ihr also?«
Amanda wollte eben antworten, als sie Anthony Fiori bemerkte, der in ihre Richtung kam. Er trug grüne OP-Kluft unter einem weißen Mantel, der aussah, als wäre er noch nie gewaschen worden. Zettel ragten aus den ausgebeulten Taschen des Mantels.
»Tony!«
Zuerst machte Fiori ein verwirrtes Gesicht. Dann lächelte er.
»Hallo, Amanda. Was machst du denn hier?«
»Wir haben eben einen Zeugen für einen Fall befragt. Das ist Herb Cross, unser Ermittler. Herb, das ist Dr. Tony Fiori, ein alter Freund von der High School.«
Die beiden Männer gaben sich die Hand.
»He, hast du Zeit für einen Kaffee?«, fragte Tony. »Man hat mich wegen eines Notfalls aus dem OP vertrieben, und jetzt habe ich eine halbe Stunde Zeit, bis ich wieder zurück muss.«
»Ich weiß nicht«, sagte Amanda zögernd und sah Cross an.
»Ist schon okay«, erwiderte der Ermittler.
»Sind Sie sicher, dass Sie mich nicht mehr brauchen?«
»Ich gehe jetzt ins Büro zurück und schreibe meinen Bericht. Wir können ja später weiterreden.«
»Na gut. Dann sehen wir uns in der Kanzlei.«
Sie wandte sich an Tony. »Eine Dosis Koffein kann ich jetzt gut vertragen. Gehen wir!«
Es regnete, als Amanda und Tony ins Freie traten. Sie liefen über die Straße zu Starbucks , und Amanda suchte einen freien Tisch, während Tony an der Theke bestellte.
»Ein süßer, dünner grande latte«, sagte er und stellte Amanda die Tasse hin.
»Deiner sieht aus wie ganz normaler Kaffee«, sagte Amanda und deutete auf Tonys Tasse.
»Ich bin eben ein Barbar. Was soll ich sagen?«
Amanda lachte. »Schon komisch - wir haben uns jahrelang nicht gesehen, und jetzt begegnen wir uns in weniger als einem Monat zweimal.«
»Das ist Schicksal«, entgegnete Tony mit ungezwungenem Lächeln.
»Du siehst aus, als müsstest du ziemlich schuften.«
»Wie der sprichwörtliche Ochse. Zum Glück ist mein Tutor ein netter Kerl, also ist es nicht so schlimm, wie es sein könnte.«
»Was machst du?«
»Zwei Monate lang hatte ich chirurgische Bereitschaft auf
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