Amber Rain
schwarzen Seidenlaken bespannten Futon und einem riesigen Haken unter der Decke, an dem diverse Karabiner und lederne Riemen hängen. Entlang der Wände sind Regalbretter angebracht, auf denen ein Meer aus Kerzen arrangiert ist. Am meisten jedoch irritiert mich die beeindruckende Sammlung an Seilen. In ordentliche Spiralen gewickelt liegen sie in einem R e gal, hängen wie Nudeln in einer Spaghettifabrik von einer Kleiderstange, liegen zu Rollen gewickelt auf dem Boden. Rechts und links vom Bett steht jeweils ein Paravent aus schwarz lasiertem Bambus, dessen Quadrate mit weißem Pe r gament bespannt sind. Nein, es ist nicht das, was ich erwartet habe, aber ein kuscheliges Refugium für Frischverliebte ist es ganz sicher auch nicht.
In der Mitte des Raumes bleibt Crispin stehen. Endlich lässt er mein Handgelenk los. Ich stehe nun genau unter dem Haken in der Decke. Ich suche mit den Augen nach seinen. Kaum treffen sich unsere Blicke, baut sich die Verbindung auf. Cri s pin gibt ihr Zeit zu wachsen, steht vor mir. Nah, so nah, dass ich ihn riechen kann. Im Rhythmus meines Atems drücken sich meine Brüste in das Hemd, das ich immer noch trage. Sein Hemd. Es ist ein wildes Auf und Ab. Teils von dem strammen Marsch hier hoch, teils von dem Adrenalin, das immer stärker durch meine Adern rauscht. Langsam, nur ganz langsam ber u higt sich mein Atem.
„Crispin?“
„Weißt du, warum wir hier sind?“
„Ja.“
„Willst du es auch, Amber? Bist du hier, weil du es selbst willst?“
Will ich das? Ich weiß es nicht. Wenn ich ehrlich bin, könnte ich noch nicht einmal mehr mit Sicherheit sagen, welcher W o chentag heute ist, so sehr verwirrt mich die Situation. Die Au f regung hat sich in Erregung gewandelt. Was wird er mit mir tun? Werde ich es ertragen? Ich sage das Naheliegendste, das, von dem ich weiß, dass er es von mir hören will. „Ja.“
Er nickt, kaum merklich. „Bleib hier stehen. Nicht bewegen. Das Gewicht auf beide Beine, die Füße gleichmäßig belastet. Den Rücken gerade. Atme tief und regelmäßig.“
Ich arrangiere meinen Stand, wie er es von mir verlangt. Langsam, ohne Hast, wendet er sich von mir ab. Von dem Fenstersims nimmt er ein Feuerzeug mit langem Hals und b e ginnt, die Kerzen anzuzünden. Als er damit fertig ist, dimmt er das Licht, greift nach einer Fernbedienung und drückt ein paar Knöpfe. Ich kann keine Lautsprecher sehen, aber plötzlich ist der Raum erfüllt von einem reißenden, dumpfen Rhythmus. Die Melodie spielt bei dieser Musik kaum noch eine Rolle. Es ist der Beat, der durch alle Knochen dringt, der die Nerven a n greift, der den Puls beeinflusst. Ganz von selbst nimmt mein Atem diesen Rhythmus auf.
Crispin schließt die Tür und verschwindet hinter einem der Paravents. Im Dämmerlicht kann ich die Schemen nicht de u ten, die seine Silhouette auf das Pergament malt, aber ich höre Kleiderrascheln und ich nehme an, dass er sich umzieht. Es wird unnatürlich, so still auf der Stelle zu stehen. Er würde es nicht merken, wenn ich mich jetzt bewege, wenn ich die Hüfte ein wenig abknicke, um bequemer zu stehen. Aber aus irgen d einem Grund tue ich es nicht. Die Muskeln über meinem Kreuzbein werden hart. Noch nicht ganz ein Krampf, nur U n wohlsein, und etwas Seltsames geschieht mit mir. Ich atme in den Schmerz hinein, schließe die Augen und versuche, mich zu konzentrieren. Und mit jedem Atemzug bin ich weniger A m ber und mehr ein Teil meiner Umgebung. Ich verschmelze mit dem Raum, und mit einem Mal verstehe ich die karge Einric h tung. Die Schlichtheit ist die Leinwand des Künstlers und Crispin ist der Maler. Ich tauche in die Rolle, werde seine Farbe und sein Pinsel zur gleichen Zeit, bin bereit für die Kreation, die er schaffen will und warte darauf, was er als nächstes tun wird.
Ich fühle seinen Körper vor mir, bevor ich ihn höre. „Mach die Augen auf.“ Schwer heben sich meine Lider und ich weiß, dass mein Blick verhangen ist. „Gut. Sehr gut.“ Es dauert einen Moment, bis meine Pupillen einen Fokus finden, und da hat er schon begonnen, mein Hemd aufzuknöpfen. Knopf für Knopf öffnet er die Leiste, bis es mir offen von den Schultern hängt. Er tritt einen Schritt zurück, um mich von Kopf bis Fuß zu mustern. Er hat sich tatsächlich umgezogen, trägt jetzt eine Art Kimono aus schwarzer Seide, der über der Taille gegürtet ist mit einem blutroten Streifen Stoff. Es ist ein ungewohnter A n blick, ihn in dieser Aufmachung zu sehen, aber nichts desto trotz
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