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Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts

Titel: Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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keine Antwort. Dann stürzte er vor, doch ich war mit einem mächtigeren Aufruf darauf vorbereitet. Die Bäume verfielen und stürzten in sich zusammen, bevor er sie erreichen konnte, dann bewegten sie sich und wurden von einem heftigen Windstoß weggeweht, wo eigentlich Stille hätte herrschen sollen. Er umkreiste die Schneise, grau und rot, und errichtete eine undurchdringliche Mauer, unendlich nach oben und nach unten. Wir bewohnten eine runde Insel in der Nacht, mit einem Durchmesser von mehreren hundert Metern, deren Ränder langsam abbröckelten.
    »Er wird nicht kommen«, sagte ich, »und du gehst nicht zu ihm hin. Er kann dir nicht helfen. Niemand wird dir helfen. Dies ist ein Ort der hohen Magie, und du erniedrigst ihn durch deine Anwesenheit. Weißt du, was jenseits des nahenden Windes ist? Das Chaos. Ich werde dich jetzt diesem übergeben, wenn du mir nichts über Julia und deinen Meister berichtest und mir nicht sagst, warum du es gewagt hast, mich hierherzubringen.«
    Er wich vor dem Chaos zurück und wandte mir das Gesicht zu.
    »Bring mich in meine Wohnung zurück, dann werde ich dir alles berichten«, sagte er.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Töte mich, dann wirst du es niemals erfahren.«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »In diesem Fall wirst du es mir sagen, damit der Schmerz aufhört. Anschließend werde ich dich dem Chaos übergeben.«
    Ich näherte mich ihm.
    »Warte!« Er hob die Hand. »Schenk mir das Leben als Gegenleistung dafür, was ich dir berichten werde.«
    »Wir machen keinen Tauschhandel. Sprich!«
    Der Wind wirbelte um uns herum, und unsere Insel schrumpfte immer mehr. Halbgehörte, halbverständliche Stimmen brabbelten im Wind, und Bruchstücke von Formen schwammen darin. Melman wich vom bröckelnden Rand der Dinge zurück.
    »Also gut«, sagte er mit lauter Stimme. »Ja, Julia ist zu mir gekommen, wie es mir angekündigt worden war, und ich brachte ihr einiges bei - nicht das, was ich ihr noch vor einem Jahr beigebracht hätte, sondern Teile einiger neuer Dinge, die ich selbst erst vor kurzer Zeit gelernt hatte. Ich war ebenfalls angewiesen worden, sie auf diese Weise zu unterrichten.«
    »Von wem? Nenn deinen Meister!«
    Er verzog das Gesicht.
    »Er war nicht so töricht, mir seinen Namen zu nennen«, erwiderte er, »damit ich nicht danach trachtete, Beherrschung über ihn zu erlangen. Genau wie du ist er kein Mensch, sondern ein Wesen aus einer anderen Ebene.«
    »Gab er dir das Gemälde mit dem Baum?«
    Melman nickte.
    »Ja, und es transportierte mich wirklich zu jedem Sephiroth. Magie wirkte an jenen Orten. Ich erlangte eine gewisse Macht.«
    »Und die Trümpfe? Hat er die auch geschaffen? Er gab sie dir, damit du sie ihr gibst?«
    »Ich weiß nichts von irgendwelchen Trümpfen«, antwortete er.
    »Diese hier!« schrie ich, wobei ich sie unter meinem Umhang hervorzog, sie wie einen magischen Fächer ausbreitete und auf ihn zuging. Mit vorschnellendem Arm hielt ich sie ihm vor die Augen, damit er sie kurz betrachten konnte, dann zog ich sie zurück, bevor er auf die Idee käme, sie könnten ein Mittel zum Entkommen darstellen.
    »Ich habe sie noch nie gesehen«, sagte er.
    Der Boden setzte seine ständige Erosion in unsere Richtung fort. Wir wichen zu einem Punkt näher bei der Mitte zurück.
    »Und du hast dieses Geschöpf geschickt, das sie umgebracht hat?«
    Er schüttelte heftig den Kopf.
    »Das habe ich nicht getan. Ich wußte, daß sie sterben würde, denn er hatte mir erzählt, daß das der Anlaß sei, dich zu mir zu bringen. Er hat mir auch gesagt, daß es ein Ungeheuer von Netzach sein werde, das sie umbrächte - aber ich habe es niemals gesehen und habe keinen Anteil an dieser Herbeirufung.«
    »Und warum wollte er, daß wir uns begegnen, warum wollte er mich hierherlocken?«
    Er stieß ein wildes Lachen aus.
    »Warum?« wiederholte er. »Natürlich um dich zu töten. Er sagte, wenn ich dich an diesem Ort tötete, ginge deine Macht auf mich über. Er sagte, du seist Merlin, Sohn der Hölle und des Chaos, und daß ich der größte aller Magier sein würde, wenn es mir gelänge, dich hier zu töten.«
    Unsere Welt maß nun noch bestenfalls hundert Meter im Durchmesser, und die Geschwindigkeit, mit der sie schrumpfte, nahm zu.
    »Stimmt das?« fragte er. »Hätte ich Macht erlangt, wenn ich erfolgreich gewesen wäre?«
    »Mit der Macht ist es wie mit dem Geld«, antwortete ich. »Man bekommt sie gewöhnlich, wenn man die entsprechenden Fähigkeiten besitzt und nichts

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