Amber-Zyklus 07 - Das Blut von Amber: der Titel
abgerissen, wenn ich zurückgekehrt wäre.«
»Was geschah dann?«
»Ich hatte den Eindruck, daß der Angriff ganz in Jasras Sinn war. Sie hatte offenbar schon von Anfang an vorgehabt, Sharu Garull aus dem Weg zu räumen und die Herrschaft über diesen Ort selbst an sich zu reißen. Ich glaube, sie hat sich an ihn herangemacht, um sein Vertrauen zu gewinnen, bevor sie zuschlug. Ich glaube, sie hatte ein bißchen Angst vor dem alten Mann. Doch als die Armee auf der Schwelle erschien, mußte sie handeln, obwohl sie noch nicht bereit dazu war. Sie lieferte sich mit ihm ein Zaubererduell, während ihre Wachen seine Männer in Schach hielten. Sie siegte, obwohl ich gehört habe, daß sie leicht verwundet wurde. Außerdem war sie unheimlich wütend auf ihren Sohn - weil er mit einer Armee gekommen war, ohne daß sie es befohlen hatte. Jedenfalls öffneten die Wachen die Tore für sie, und sie übernahm die Herrschaft über den Hort. Das habe ich damit gemeint, daß keine Armee jemals die Festung eingenommen hat. Das alles spielte sich im Innern ab.«
»Wie hast du das alles erfahren?«
»Wie gesagt, wenn Deserteure hier heraufkommen, dann gebe ich ihnen was zu essen und höre die Neuigkeiten.«
»Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann hast du Andeutungen gemacht, daß es noch andere Versuche gab, die Festung einzunehmen. Das geschah dann vermutlich, nachdem sie die Herrschaft übernommen hatte.«
Er nickte und nahm noch einen Schluck Wein.
»Genau. Anscheinend hatte es in Kashfa einen Staatsstreich gegeben, während sowohl sie als auch ihr Sohn abwesend waren - durch einen Adligen namens Kasman, den Bruder einer ihrer verstorbenen Liebhaber, eines Burschen namens Jasrick. Dieser Kasman übernahm die Macht, und er wollte sie und den Prinzen aus dem Weg räumen. Er muß diesen Ort ein dutzendmal angegriffen haben. Aber es ist ihm nie gelungen, hineinzugelangen. Schließlich begnügte er sich mit einer Machtausübung aus der Ferne, glaube ich. Später schickte sie ihren Sohn irgendwohin, vielleicht um eine neue Armee aufzubauen oder den Thron für sie zurückzugewinnen. Ich weiß es nicht. Das ist lange her.«
»Was geschah mit Dalt?«
»Sie zahlten ihn mit erplünderter Beute aus dem Hort aus - offenbar befand sich darin allerlei wertvolles Zeug -, und er nahm seine Truppen und kehrte dorthin zurück, wo immer er sich herumgetrieben haben mag.«
Ich trank ebenfalls einen Schluck Wein und schnitt mir ein Stück Käse ab. »Wie kommt es, daß du während der ganzen Jahre hier geblieben bist? Das muß doch ein ziemlich entbehrungsreiches Leben gewesen sein?«
Er nickte. »Die Wahrheit ist, daß ich den Heimweg nicht kenne. Sie haben uns über sehr sonderbare Pfade hierhergeführt. Ich glaubte zu wissen, wo diese verliefen, doch als ich mich auf den Weg machte, um sie zu suchen, fand ich sie nicht. Vielleicht hätte ich einfach in irgendeine Richtung wandern sollen, aber vermutlich hätte ich mich dann unrettbar verlaufen. Übrigens komme ich jetzt hier ganz gut zurecht. In einigen Wochen werden diese Nebengebäude wieder aufgebaut, und die Bauern kehren zurück, gleichgültig, wer gewinnt. Und man hält mich für einen Heiligen, der hier oben betet und meditiert. Jedesmal, wenn ich mich zu ihnen hinunterbegebe, kommen sie aus den Häusern, segnen mich, geben mir üppig zu essen und zu trinken und halten mich lange bei sich fest.«
»Bist du ein Heiliger?« fragte ich.
»Ich tue so, als ob«, sagte er. »Das macht sie glücklich und ernährt mich nicht schlecht. Das brauchst du ihnen allerdings nicht zu verraten.«
»Natürlich nicht. Sie würden mir sowieso nicht glauben.«
Er lachte wieder. »Da hast du recht.«
Ich stand auf und ging auf dem Pfad ein Stück zurück, bis ich die Festung wieder sehen konnte. Die Leitern lagen am Boden, und ich bemerkte, daß noch mehr Tote herumlagen. Ich nahm jedoch keine Anzeichen von einem Kampf im Innern wahr.
»Ist das Tor inzwischen offen?« rief Dave mir zu.
»Nein. Ich glaube nicht, daß diejenigen, die eingedrungen sind, der Aufgabe gewachsen waren.«
»Ist das grünschwarze Banner irgendwo zu sehen?«
»Ich entdeckte es nirgends.«
Er stand auf und kam zu mir herüber, wobei er beide Flaschen mitbrachte. Er reichte mir die meine, und beide nahmen wir einen Schluck. Die Bodentruppen fielen allmählich von dem Terrain vor der Mauer zurück.
»Glaubst du, sie geben auf oder formieren sich neu für einen weiteren Angriff?« fragte er mich.
»Das kann ich jetzt
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