Amber-Zyklus 10 - Prinz des Chaos: der Titel
von Wandteppichen und schweren Vorhängen, in einem türlosen Gemach in der Suhuyschen Burg. Vielleicht befand ich mich in einem Turm, da ich den Wind jenseits der Mauern hören konnte. Ich schlief und träumte...
Ich war wieder auf Schloß Amber und wandelte durch den langen Korridor der Spiegel. Wachskerzen flackerten in hohen Haltern. Meine Schritte erzeugten keinen Laut. Die Spiegel nahmen alle möglichen Formen an. Sie bedeckten die Wände zu beiden Seiten, große und kleine. In ihrer Tiefe kam ich an mir selbst vorbei, reflektiert, verzerrt, manchmal mehrfach reflektiert ...
Vor einem hohen zerbrochenen Spiegel zu meiner Linken, der mit einem Zinnrahmen eingefaßt war, blieb ich stehen. Als ich mich ihm zuwandte, wußte ich, daß es diesmal nicht ich selbst wäre, den ich zu Gesicht bekäme.
Und ich täuschte mich nicht. Aus dem Spiegel blickte mich Coral an. Sie war mit einer pfirsichfarbenen Bluse bekleidet und trug ihre Augenklappe nicht. Der Sprung im Spiegel teilte ihr Gesicht in zwei Hälften. Ihr linkes Auge war so grün, wie ich es in Erinnerung hatte, ihr rechtes Auge war der Juwel der Urteilskraft. Beide schienen auf mich gerichtet zu sein.
»Merlin«, sagte sie. »Hilf mir. Das ist zu seltsam. Gib mir mein Auge zurück.«
»Ich weiß nicht, wie ich das tim soll«, erwiderte ich. »Ich begreife nicht, was dir widerfahren ist.«
»Mein Auge«, fuhr sie fort, als ob sie mich nicht gehört hätte. »Im Auge der Urteilskraft besteht die Welt aus nichts anderem als treibenden Kräften, kalt -ach, so kalt -, und sie ist ganz und gar kein angenehmer Ort. Hilf mir!«
»Ich werde einen Weg finden«, versprach ich.
»Mein Auge...«, fuhr sie fort.
Ich hastete weiter.
Aus einem rechteckigen Spiegel in einem Holzrahmen, der am Fuß wie die Gestalt eines Phönix geformt war, betrachtete mich Luke.
»He, alter Knabe«, sagte er und machte dabei einen etwas verlorenen Eindruck. »Ich möchte wirklich gern das Schwert meines Papas wiederhaben. Du hast es nicht zufällig irgendwo gesehen, oder?«
»Tut mir leid, nein«, murmelte ich.
»Es ist schade, daß ich mich nur so kurz an deinem Geschenk erfreuen konnte. Halt die Augen danach offen, ja? Ich habe so ein Gefühl, als könnte es sich als ganz nützlich erweisen.«
»Das werde ich tun«, versprach ich.
»Schließlich bist du in gewisser Weise verantwortlich für all das, was passiert ist«, fuhr er fort.
»Stimmt«, pflichtete ich ihm bei.
»...Und ich hätte es wirklich gern zurück.«
»Klar«, sagte ich und entfernte mich.
Ein häßliches Kichern ertönte aus einer dunkelbraun gerahmten Ellipse zu meiner Rechten. Als ich mich umdrehte, sah ich das Gesicht Victor Melmans, des Zauberers vom Schatten Erde, dem ich damals begegnet war, als meine Schwierigkeiten anfingen.
»Sohn der Verderbnis!« zischte er. »Es freut mich, dich in der Vorhölle herumirren zu sehen. Möge mein Blut brennend an deinen Händen kleben!«
»Dein Blut klebt an deinen eigenen Händen«, sagte ich. »In meinen Augen bist du ein Selbstmörder.«
»Keineswegs!« fauchte er zurück. »Du hast mich auf höchst niederträchtige Weise niedergemetzelt.«
»Quatsch!« erwiderte ich. »Ich mag an allem möglichen schuld sein, aber gewiß nicht an deinem Tod.«
Ich wollte weitergehen, da fuhr seine Hand aus dem Spiegel und packte mich an der Schulter.
»Mörder!« schrie er.
Ich wischte seine Hand weg.
»Hau ab!« sagte ich und setzte meinen Weg fort.
Dann grüßte mich Random aus einem grüngerahmten Spiegel mit einem grünen Schleier zu meiner Linken; er schüttelte den Kopf.
»Merlin! Merlin! Was hast du vor?« fragte er. »Mir ist seit langem klar, daß du mich beileibe nicht in alles eingeweiht hast, was so ansteht.«
»Nun«, antwortete ich und betrachtete ihn in seinem orangefarbenen T-Shirt und den Levi's Jeans, »das stimmt, mein Herr. Ich hatte einfach keine Zeit, alle Einzelheiten ausführlich zur Sprache zu bringen.«
»Es geht um die Sicherheit des Reiches - und du hattest keine Zeit?«
»Na ja, ich glaube, dabei hat so etwas wie der Faktor der individuellen Beurteilung den Ausschlag gegeben.«
»Wenn es um unsere Sicherheit geht, bin ich derjenige, der die Dinge beurteilt.«
»Ja, mein Herr. Das ist mir klar...«
»Wir müssen mal miteinander reden, Merlin. Kann es sein, daß dein persönliches Leben dabei irgendeine Rolle spielt?«
»Das könnte stimmen...«
»Macht nichts. Das Königreich geht vor. Wir müssen miteinander sprechen.«
»Ja, mein
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