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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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hatte. Avi und ich schauten uns um. Macaffreys Erscheinen hatte sich auf der Straße blitzartig herumgesprochen; Bewohner des Häuserblocks lugten aus Fenstern, spähten aus Haustüren, hoben die Gesichter über die Fahrzeugdächer der Heizölferrari, zeigten sich zu Hunderten, niemand sagte etwas, keiner regte sich, allesamt beobachteten sie nur Macaffrey. Er erwiderte ihre Blicke sichtlich voller Emotionen, wie ich sie mir in der Öffentlichkeit seit Jahren nicht mehr hatte anmerken lassen, und es schauderte ihn; danach wandte er sich nochmals an uns.
    »Also dann bis morgen mittag«, verabschiedete er sich fast im Flüsterton, entfernte sich rasch zurück zur gelben Eingangstür, wirkte ganz so, als ob die Augen seiner Nachbarn ihn ähnlich wie seine mich beunruhigten.
    »Sie wissen ja gar nicht, wo's ist«, sagte ich.
    »Doch.«
     
    »Man schicke Kinder in den Zirkus, und alles, worüber sie was erzählen, sind die Clowns«, spottete Bernard. Zu beschreiben, was wir gesehen hatten, bereitete uns nicht mehr Schwierigkeiten, als hätten wir es erklären sollen. Ich fühlte mich während der Berichterstattung, als müßte ich ein Kasperkostüm tragen, Narrenkappe und Glöckchen, so blödsinnig hörte sich in Macaffreys Abwesenheit alles an.
    »Ein Scharlatan«, sagte Susie, die bei der Überzeugung blieb, wir hätten Mist gebaut, und bei der Meinung, sie hätte es vorausgesagt; bei ihr hatte jedes Wort auch nachträglich unweigerlich den Charakter einer Prophezeiung. Sie schob die Lider mit den Fingern auseinander, als hätte sie vor, uns ihre Augen entgegenzuschnippen. »Es steckt in den Glotzern. Alles bloß Psychohypnose.«
    »Für mich hört's sich an«, sagte Thatcher, »als hätte er den Bösen Blick.«
    »Den Hitler-Blick«, überbot ihn Susie.
    »Damit könnte er, je nach den Umständen, ganz nützlich sein …«, meinte Bernard.
    »Das klingt alles so, daß ich annehme, er glaubt, was er redet«, sagte Thatcher.
    »Dann ist er sogar noch verrückter«, bemerkte Susie, »als wir's uns vorstellen können.«
    »Seine Aussagen sind anscheinend von einer Art, die für die Mehrzahl aller Neunjährigen verständlich ist, also ließe sich damit im Laufe der Zeit ein breites Publikum erreichen«, sagte Bernard. »Es ist nur ein Vorteil, wenn er selbst glaubt, was er erzählt, dann werden nebelhaftere Abschnitte einer Rede durch unzweideutige Anklänge der Aufrichtigkeit verklärt …«
    »Wäre er auf Massenbasis zu wirken imstande?« erkundigte sich Thatcher.
    Bernard zuckte die Achseln. »Wir müßten die üblichen Probeauftritte veranstalten. Mal sehen, ob er ins Schwimmen gerät. Vielleicht wär's möglich. Religion ist lediglich ein mutierter Aspekt der Volkskultur. Nur …«
    »Wir haben mitgekriegt, was er drauf hat«, sagte Avi. »Ich hatte ganz klar beobachtet, daß der Kerl starb.«
    »Wie können Sie so etwas überhaupt noch unterscheiden?« hielt Susie dagegen. »Für Sie müssen Ihre Leichen inzwischen doch alle gleich aussehen.« Avi schüttelte den Kopf.
    »Sah er dir mausetot aus?« fragte Thatcher mich.
    »Für so was bin ich keine Fachfrau«, sagte ich. »Ich habe ihn für tot gehalten.«
    »Macaffrey hätte Ihnen vorsabbeln können, die Sonne sei der Mond«, behauptete Susie, »und Sie wären auch darauf hereingefallen.«
    »Es ist sonderbar, daß er Sie so in seinem Bann hatte und trotzdem die Gelegenheit versäumte, Nägel mit Köpfen zu machen«, meinte Bernard. »Hat er nicht beiläufig, während Sie beide Stielaugen machten, Bemerkungen über die Bruderschaft des Lebens einfließen lassen? Keine Nebensätze über Höheres eingeflochten? Eine aufgemotzte Rasse?« Bernard rümpfte die Nase. »Natürliche Ernährung?«
    »Er hat ausschließlich das gesprochen«, stellte ich klar, »was ich wiedergegeben habe.«
    »Nichts als Kleinkaliber«, murrte Bernard. »Da haben wir also einen nichtssagenden Typ, der anomalen Kindern selbst zurechtgelegte Bibelgeschichten erzählt und in der Freizeit Straßenräuber zum Leben wiedererweckt.« Beim Reden kaute er am Daumennagel. »Nicht gerade leicht zu vermarkten.«
    »Stellen wir die Sache erst mal zurück«, sagte Susie. »Wir müssen die Situation im Fall Jensen untersuchen.«
    »Darum kümmert sich schon jemand«, erwiderte Bernard.
    »Ich habe von dem Burschen den Eindruck, er kann den Leuten jeden Scheiß aufschwatzen«, sagte Thatcher. »So was ist gut. Ich brauche jemand Überzeugendes.«
    »Er blickt ja nicht mal bei der Anthropologie durch«,

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