Ambient 02 - Heidern
hast schon 'ne Schwäche für ihn, stimmt's?« Ich mißachtete die Frage. »Das ist ja niedlich. Er hat euch in seinem Bau wahrhaftig irgendwas eingeimpft. Ich habe noch nie solches Geseire wie nach eurer Rückkehr gehört.« Er schlüpfte zurück in den Schatten, ähnelte darin nur noch einer Verkörperung von Finsternis. »Avi ist nicht leicht zu beeindrucken. Und was dich betrifft, du hast so lange mit Bernard zusammengearbeitet, daß von ihm gräßlich viel auf dich abgefärbt hat. Dauernd beißt ihr die Hand, die euch füttert. Ihr kennt kein Quentchen Respekt. Ihr beide seid richtige Nattern.«
»Ich bin anders als Bernard.«
»Bernard hat eine andere Kränkung als du erlitten …«, setzte er zu einer Antwort an.
»Nicht viel anders.«
»Ihr habt beide, was ich brauche.« Als er sich vorbeugte, erschien sein Kopf erneut im Licht, in seiner Miene spiegelten sich Stadtlicht und Mondschein, als er mich küßte. »Was, zum Donnerwetter, hast du eigentlich vor, Thatcher?« fragte ich.
»Wände haben immer Ohren, Schatzi. Wir sollten lieber ganz allgemein bleiben.«
»Wir könnten überhaupt nicht ungenauer sein.«
»Unterstellen wir mal, jemand kommt daher, der allem Anschein nach der Messias ist«, sagte Thatcher. »Oder wenigstens oft genug vor einer hinlänglichen Anzahl von Leuten den Eindruck hinterläßt.«
»Was für ein Messias?«
»Wieviel Sorten gibt's denn?« fragte er zurück. »Ich meine keine Leute, die in Handtellern, keine Zigeunerinnen, die im Kaffeesatz lesen. Keine kalifornischen Dummerchen, die von Ägypten, Atlantis oder 'm Mars schwafeln. Ich rede vom wahren Jakob. Wenn du ihn nun sozusagen in der Garderobe erwischt hast, bevor er auf die Bühne gehen will?« In seinen Augen schimmerte reflektierter Lichtschein, so daß sie wie Leuchtbojen strahlten, das Dunkel teilten. »Wie könnte man so einen Mann zum Mitarbeiter gewinnen? Wie ließe er sich ins Unternehmen integrieren? Welche Bedeutung hätte er für den Markt?«
»Und was, wenn er kein …?«
Er hob die Arme, so daß es aussah, als finge er jemanden ab, der niederzustürzen drohte. »Man muß in der Wüste einen Baum zum Blühen bringen. Das ist, schlicht und einfach betrachtet, geschäftlicher Erfolg.«
Ich hörte von irgendwoher Schreie, schwieg jedoch dazu, ich brauchte mir erst gar nicht einzureden versuchen, daß mein Eingreifen ein Verbrechen verhindern könnte. »Du bist übergeschnappt, Thatcher.«
»Gehen wir meinetwegen ruhig mal davon aus, daß er bloß 'n tüchtiger Faselhans mit 'm fanatischen Blick ist, so wie Susie 's glaubt«, sagte er. »Na und? Das heißt doch nicht, daß er mit unserer Unterstützung nicht einiges erreichen kann. In bezug auf Details ist Susie echt fähig, aber hinsichtlich des Gesamtrahmens ist sie blind wie 'n Maulwurf. Wenn dir mein ursprünglicher Gedanke zu … zu dingens ist … Wie lautet dieses Wort, das ich suche …?«
»Verrückt?«
»Transzendent«, sagte Thatcher. »Schmieren wir ihn ein bißchen, kann ein Knabe wie Macaffrey uns wahnsinnig nützlich sein. Wir brauchen ihm nur klarzumachen, woher der Wind weht. Wie man sich vom Kuchen sein Stück abschneidet.«
»Warum willst du einen Messias haben?« fragte ich. »Wozu?«
»Es ist doch nicht so, daß ähnliches nicht schon geleistet worden wäre«, erklärte Thatcher, beachtete diesmal seinerseits meine Frage nicht, so als wäre ich nur irgendeine Elende in der Masse ringsherum in der Stadt, eine Irgendwer, deren Worte man überhörte, deren Existenz so unwesentlich blieb wie ein Furz. »Man muß den Leuten etwas bloß häufig genug wiederholen, und nach einiger Zeit glaubt's schließlich jeder.«
Ich könnte nie ein derartiger Advocatus Diaboli wie Bernard sein, doch ich hatte meine Sternstunden der Gewitztheit. »Und wenn er tatsächlich der Messias ist?« fragte ich. »Was dann?«
Thatcher latschte durchs Zimmer, blickte über sein Reich aus, spähte in die karmesinrote Luft über Long Island. Ich suchte meine Kleidung zusammen und begann mich anzuziehen, stellte mir die Frage, ob er mich in seiner Andächtigkeit überhaupt noch wahrnahm. Er hielt in seinen Zimmern die Klimaanlage stets dermaßen auf Touren, daß es mir bis in die Seele fröstelte; mir schauderte, ich fühlte mich wie ein im Schneesturm verirrter Reisender, als bräche ich im Wehen zusammen, so war mir zumute, als nähme ich keinen Anteil mehr an alldem, was auf mich herabkam, überwältigte mich das Kalte, das alles unter sich begrub, ließe ich
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