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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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von normalen Menschen erledigt werden«, sagte Lester. »Die großen ebenso wie die kleinen Aufgaben.«
    »Aber sie tun es nicht. Sie versuchen es noch nicht einmal. Sie fürchten zu sehr das Mißlingen, nehme ich an, und deshalb geben sie nichts mehr darum, oder unterlassen es, wenigstens noch vorzutäuschen, sie gäben etwas darum …«
    »Wie ich's verstehe«, sagte Lester, »lieben Sie uns am meisten, wenn wir uns bemühen und scheitern.«
    »Das verringert die Konkurrenz«, meinte ich. »Es wird nichts geschehen, also hat's auch keinen Sinn, darüber zu diskutieren.« Es wunderte mich, wie manipulativ ich sein konnte; ich beobachtete sein Gesicht, um ihm möglicherweise Reaktionen anzusehen. Es rührte nicht daher, daß ich betrunken gewesen wäre, denn ich war es nicht; ich wollte ihn lediglich unter die Lupe nehmen, so wie allem Anschein nach auch er unablässig mir auf den Zahn fühlte.
    »Der Messias wird kommen«, versicherte er. »Allerdings nicht so einer, wie irgendwer ihn will oder erwartet.«
    Mir kam eine Erinnerung: Ich sah vor mir wieder die Bücher im Studierzimmer meiner Eltern, ihre Bücher sowie die verstaubten, vom Großvater meiner Mutter geerbten, in die obersten Regale geschobenen, jahrelang ungelesen gebliebenen Schwarten. Ich entsann mich, wie ich im Alter von dreizehn Jahren einmal hochstieg und in den Wälzern kramte, um zu schauen, was sich Lesenswertes finden ließe. Mein Großvater mütterlicherseits war Rabbi gewesen; die meisten seiner alten Bücher enthielten Hebräisch, das ich nicht lesen konnte. Einige hatten englische Texte, und mir fiel ein, wie ich, während ich gelangweilt Seiten umblätterte, Staub herauswehte wie von der weißen Eselin eines einsamen Reiters aufgewirbelte Dunstschwaden, auf einen Absatz über Waldo Frank stieß. Frank glaubte, wenn der Messias erschiene, würde er – der Messias – eine Frau sein; das hatte ich schon damals, wie ich mich erinnerte, als unvorstellbare, aber reizvolle Idee erachtet. Das restliche Buch las sich trockener als der Staub, der es bedeckte; ich stellte es ins Regal zurück und lief hinaus, um Sonnenlicht aufzusaugen und vom Wind den Staub von meiner Haut blasen zu lassen.
    »Wie denken Sie über den Messias?« erkundigte ich mich. »Haben Sie dir das offenbart?«
    »Sie wissen, daß Sie wiedervereint werden, wenn der Messias da ist, aber was danach geschehn wird, ist nicht mal Ihnen klar. Ihnen ist bekannt, daß sich alles ändern muß, aber Sie können nicht absehn inwiefern, deshalb haben Sie's nie eilig gehabt …«
    »Also schieben Sie es dauernd auf.«
    »Es ist fast soweit«, sagte Lester. »Bisher haben all Ihre Bedenken sich als berechtigt erwiesen. Ist doch verständlich, daß Sie zögern. Man könnte sagen, der Messias ist Ihr Werkzeug des Weltuntergangs.«
    Ich nahm die Fernbedienung des CD-Players zur Hand und schaltete das stets auf die Morgennachrichten aus aller Welt eingestellte Radio an; aus den Lautsprechern der Wohnung drang Highway 61, und ich schaltete rasch wieder ab.
    »Magst du noch einen Drink?« fragte ich; er schüttelte den Kopf. »Möchtest du dir die übrigen Zimmer anschauen?«
    Ich zeigte ihm, während wir in der Wohnung umherwanderten, den rückwärtigen Garten, das Eßzimmer und die beiden Badezimmer im Untergeschoß. Über der Treppe hingen Bilder meiner Eltern an der Wand, und er sah sich die Aufnahmen an.
    »Du hast 'ne Vorliebe für deine Mutter«, sagte Lester. Das Foto, das er betrachtete, stammte vom zwanzigsten Hochzeitstag meiner Eltern; damals war meine Mutter ein Jahr jünger als ich an diesem Abend mit Lester.
    »Sie hat sich die Haare gefärbt«, sagte ich. »Sie ist früh grau geworden.«
    »Wohnen sie hier in der Stadt?«
    Ich hatte aufgehoben, was von ihrem Dagewesensein noch existierte: Sonderbare Stücke kleineren Mobiliars, eine Handvoll Bücher, meine Teller; ein Familienalbum voller Fotografien, die ich wie Einschlüsse in schwarz-weißem Bernstein empfand. Auf diesen alten Bildern stand mein Vater mit seinen Kameraden vom Militär vor dem einem eisernen Gewächshaus ähnlichen Bahnhof Penn Station, sah man meine Mutter beim Seilhüpfen auf der Brooklyner Pitkin Avenue im inzwischen längst plattgemachten Brownsville. Bisweilen entdeckte ich Fotos mit mir selbst darauf, ich konnte mich aber nicht daran erinnern, wer sie aufgenommen hatte, verschiedenerlei Schnappschüsse, auf denen Abstand und Zeit meinen Farben einen Graustich gaben und ich nicht anders als ein für einen

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