Ambient 02 - Heidern
gewohnt, oder?« Avi nickte. »Ich glaube, in 'ner Eigentumswohnung, die er von seiner Oma geerbt hat. Vermutlich 'n billiges Loch …«
»Das Haus gehört Ihnen, Thatcher«, informierte ihn Bernard. »Es war ein Schnäppchen.«
»Was ist mit diesen beiden erwähnten Personen?« erkundigte ich mich. »Wo sind sie?«
Bernard hustete, nahm die Hand vom Mund und betrachtete die Fingernägel. »Bedauerlicherweise sind sie auf der Flucht erschossen worden …«
»Beide?« fragte ich. »In zwei verschiedenen Ländern?«
»Das ist mir auch gleich komisch vorgekommen …«, merkte Thatcher an.
»In beiden Häfen haben wir's mit Hinterwäldlerelementen zu tun«, sagte Bernard. »Auf so was muß man gefaßt sein. Korrupte Beamte sind nun mal wie Küchenschaben, man wird sie nicht mehr los.«
»Aber immerhin ist's uns gelungen, ins Wespennest zu stechen. Nur haben wir bisher noch nicht den genauen Umfang der Unternehmung aufgedeckt …«
»Wie bequem, daß die Fakten so schön mit der Theorie korrespondieren«, spöttelte ich.
»Nicht wahr?« meinte Thatcher. Wie immer drang die Äußerung ihm als Nüscht wohr? über die Lippen; er behielt vorsätzlich gewisse Ausspracheangewohnheiten seiner Jugend bei, um Gegenübern, die ihn nicht kannten, den Eindruck vorzutäuschen, er verfügte über geringere Intelligenz als sie. »Ich hatte meine Verdachtsmomente. Du hast an dem bewußten Tag Otsuka ja selbst quatschen gehört, Joanna. Nannte mich 'n Nazi. Machte sich über Amerika lustig. Wenn er höflich sein wollte, gab er zuckersüßes Gewäsch von sich, aber man konnte den Kitt riechen.«
»Jetzt ist klar, wieso er ohne alles Trara in den Dreißigprozentanteil eingewilligt hat«, sagte Bernard.
»So?«
»Eine Vertragsklausel besagt, daß vom einen Land bei Abkommensunterzeichnung bereits begonnene geschäftliche Unternehmungen vom anderen Land nicht beanstandet werden«, erläuterte Thatcher. »Dank Jensen haben sie dort schon was am Laufen. Wenn wir versuchen, ihnen auf die gewohnte Weise 'n Strich durch die Rechnung zu machen, können sie unter Berufung auf diese Klausel die ganze Abmachung zum Platzen bringen, und momentan ist die Lage so, daß dann sie am Drücker wären. Sie haben ihre Bankguthaben schon nach Europa und in die Heimat transferiert, stimmt's?«
»Und das Risiko, daß sie die Wissenschaftler zurückbeordern, die wir gerade erst in Reichweite haben, dürfen wir keinesfalls eingehen«, sagte Bernard, indem er Thatchers Frage durch ein Nicken bejahte. »Susie fliegt morgen nach Los Angeles, um sie offiziell in Empfang zu nehmen und dafür zu sorgen, daß sie, sobald sie amerikanischen Boden betreten, unserer Leitung unterstellt werden.«
»Es ist offensichtlich, daß Otsuka mit den Kompromissen, die er eingegangen war, um zu erreichen, was er wollte, hätte leben können …«
»Das kann jeder«, sagte Thatcher.
»Weshalb hast du es ihm nicht gegönnt?«
»Weil es genauso offensichtlich war, daß nach Jensen wir Ziele seiner nächsten Anschläge gewesen wären«, hielt Thatcher mir entgegen. »Man muß das Eisen schmieden, eh's heiß wird, wie ich zuweilen zu scherzen beliebe. Jensen ist ausgeknipst worden, bevor er singen konnte, aber Otsuka muß klar gewesen sein, ich hätte letzten Endes doch alles entdeckt. Es gibt in jedem Unternehmen einen Judas. Ich bin der Meinung, daß er keine Lust hatte, das zu riskieren.«
»Zum Glück für unsere Vereinbarung hat Otsuka in seinem Heimatland zwar sehr wohl Respekt genossen«, sagte Bernard, »ist aber nicht allzu beliebt gewesen. Wenn man so lange lebt und so erfolgreich ist, entsteht irgendwann das Problem, daß die Zahl der Feinde, die man sich macht, nicht arithmetisch, sondern in geometrischer Progression wächst. Gestern haben wir mit seinen Nachfolgern die unumgänglichen deutlichen Worte gesprochen, mit dem Ergebnis, daß der Vertrag vollständig gültig bleibt.«
»Weshalb sollte er nicht?« fragte ich. »Außer Otsuka hat niemand Schaden erlitten. Sie können keine Gewinnanteile aus Untergrundaktivitäten einstreichen, oder?«
»Eben diese Frage versuchen wir ja gegenwärtig zu klären«, sagte Thatcher.
»Wie willst du denn nun vorgehen?«
»Schatzi, inzwischen denkst du wie wir«, behauptete Thatcher, dessen Lächeln geradeso unbändig ausfiel, wie es unverkennbar seine Unverbesserlichkeit bewies. »Wir sind jetzt an dem Punkt, wo du endlich richtig zum Zug kommst. Als erstes suchst du morgen mit Avi die Montefiori-Klinik auf und grüßt
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