Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambient 04 - Terraplane

Ambient 04 - Terraplane

Titel: Ambient 04 - Terraplane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
Vom Netzwerk:
er sie unbeabsichtigt glattmacht? Oder beabsichtigt?«
    »Das wird er nicht tun«, sagte ich. »Hier ist alles anders. Mach dir das klar, Jake: Vertrauen ist erforderlich. Du hast gesehen, wie es draußen ist.«
    »Kalkutta«, sagte Jake. »Welt in der Welt, nichts weiter. Wir werden uns entschädigen.«
    »Aber nicht allein das«, sagte ich. »Er wird eingeweiht werden müssen. Ich sehe keinen anderen Weg.«
    »Verrat wartet«, meinte er. »Denk zweimal.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Fünfmal habe ich schon gedacht«, sagte ich. »So oder so, wir riskieren alles. Sein Mißtrauen ist gewachsen, seit wir ihm begegneten. Es geht uns schlecht, und er hat Mitleid: das ist der Grund, weshalb er uns nicht fallen läßt.«
    »Mach dich auf Aktion gefaßt, wenn er sich falsch zeigt«, sagte Jake. Ich lachte beinahe, wußte aber, daß er recht hatte. Trotz allem mußten wir dem Mann auf sein ehrliches Gesicht hin vertrauen. »Was ist geschmiert?« fragte er und äugte zu ausgelegten Illustrierten und Zeitungen.
    »Laß uns eingeben«, sagte ich. »Wir brauchen alle Info, die wir kriegen können. Wie ist der Arm?«
    »Festgemacht«, murmelte er. Wir setzten uns in quastenbehangene Ledersessel, wie um Kammermusik zu hören, und durchblätterten die Seiten der Vergangenheit. In Life waren Aufnahmen der Bekannten – La Guardia, Göring, Einstein, der Großmufti von Jerusalem – und Unbekannten: Brenda Frazier, Leverett Saltonstall. Enormer Raum war einem studentischen Goldfischessen gewidmet.
    »Das würde sie wollen«, sagte Jake und hielt das Titelblatt von Liberty in die Höhe, auf dem der Große Mann, wie wir ihn erst am vergangenen Morgen gesehen hatten, auf seine amerikanischen Käufer blickte. Er riß die Titelseite herunter, faltete und steckte sie ein. Ein Groschenromanheft brachte eine Sherlock Holmes-Geschichte von Conan Doyle, ein Nachdruck, wie betont wurde. Da ich weder die Geschichten gelesen, noch die Videofilme gesehen hatte, war mir ›Die Ratte aus Sumatra‹ unbekannt.
    »Ist Radiumseide verstrahlt?« fragte Jake.
    »Unzweifelhaft«, antwortete ich. »Warum?«
    »Dummköpfe«, sagte er, zeigte mir eine Anzeige in Collier's »Sie verwenden es in Hemden.« Für drei Dollars – alte Dollars – pro Stück schienen sie spottbillig, zumal die Käufer noch eine sichere Krebserkrankung als Zugabe erhielten. Solche Torheit verblüffte, aber wie gesagt, schließlich waren dies unschuldige Zeiten. Ich warf zwei Superman- Hefte beiseite und schlug nicht einmal auf, was ein SF-Magazin zu sein schien. In dem Stoß lagen zwei Tageszeitungen, die New York Age und der Daily Mirror.
    »›Zurück nach Afrika – ist die Zeit recht?‹« las ich die Schlagzeile der New York Age vor.
    »Afrika?« sagte Jake. »Da sind alle tot.«
    »Nicht ganz.« Der zugehörige Beitrag war ein Leitartikel; Jake unterbrach mich, bevor ich lesen konnte, was der Verfasser worüber dachte.
    »Was sagt dieses Gewäsch?« fragte er und zeigte mir eine Überschrift im Mirror: REGIERUNGSAGENTEN KIPPEN HOMERS KANSAS-GELAGE.
    »Unbekannt«, sagte ich. Als ich sah, wer darunter abgebildet war, bekam ich einen leichten Schock. »Schau her. Er lebt jetzt.« Da war in Schwarzweiß Hitler zu sehen; nicht nur am Leben, sondern auf der Höhe des Erfolgs, der Mann, der diese Welt letztendlich zu unserer gemacht hatte, am Vorabend der Umwälzung. Wir waren – ich war – so übermäßig vertraut mit den gesellschaftlichen Übeln, daß diese Personifikation mein in Jahrzehnten konditioniertes Gemüt schockte wie selten etwas anderes in den letzten Jahren.
    »He«, rief Wanda. »Totengräber und Ausgegrabener. Kommen Sie rein!«
    Starker Alkoholgeruch klärte meinen Kopf, als wir das Behandlungszimmer betraten, befähigte mich, meine Schmerzen leichter zu fühlen. Oktobrjana lag unter einer Decke; ein feuchtes Tuch kühlte ihre Stirn. Mit fiebrig glänzenden Augen folgte sie Jakes Schritten, seinen vorsichtigen Bewegungen.
    »Sehen wir uns mal diese Schulter an, Jake«, sagte Doc und legte ihm einen Arm um die Mitte, wie um ihn vor einem Sturz zu bewahren. »Sie tragen ein Stützkorsett?«
    Bevor er sich setzte, griff Jake unter den Mantel, zog aus seinen Falten die Motorsäge und reichte sie ihm, als wollte er der unvermeidlichen Beschlagnahme zuvorkommen. Doc mußte Zündung oder Sicherung oder beides gestreift haben, denn als er das Ding berührte, sprang der Motor an, und die Säge schnellte aufheulend zu verdoppelter Länge heraus. Er ließ sie vor

Weitere Kostenlose Bücher