Ambient 04 - Terraplane
er setzt sich hin und will Eier aussaugen? Scheiße!«
»Komm schon, Wanda«, sagte Doc. »Beruhige dich!«
»Setzen Sie sich alle hin«, sagte sie. Die Größe der Küche beeindruckte, so gewohnt war ich die trockenen Duschkabinen, die von den New Yorker Immobilienmaklern unserer Tage Essensbereich genannt werden; jeder von uns hatte überreichlich Raum, als wir in der Mitte des Raumes tischten, das breite Fenster uns gegenüber, das unaufhörliche Winseln der Fliegen in den Ohren. Während unsere Gastgeber und Oktobrjana ihre getellerten Greuel plünderten, rührte ich meine Eier bis zur Trinkbarkeit, und Jake riß die Kruste von seinem Toast.
»Mögen Sie keine Krusten, Jake?« fragte Doc beim Hinunterschlingen gebratener Speckstreifen.
»Oberflächenpartikelkonzentration darauf am höchsten«, sagte er, starrte dann auf den Boden. »Was ist der Belag?«
»Linoleum«, sagte Wanda. Der Name war unvertraut; was immer es war, es bröckelte und spaltete sich an den Rändern, zeigte unter Oberflächenglanz jährliche Schmutzansammlung. »Was haben Sie? Etwas anderes?«
»Mirafloor«, sagte Jake. »Ein elastisches Industrienebenprodukt, flachgepreßt.« Wanda schien unbeeindruckt. Ein unvermeidlicher Aspekt dieser Zeit war, wie es schien, daß die innere Welt in dem Maße, wie die Außenwelt durch das Andauern der Wirtschaftskrise immer mehr einem einförmigen Graubraun anheimfiel, wie verchromt glänzte; der Verlust des einen wurde vom anderen überkompensiert. Wie ich so auf einem wassergefüllten Stuhlkissen saß, das Sonnenlicht sah, wie es durch die grünen und weißen und chromgelben Gardinen und Vorhänge sickerte, die Knie an einem rotkariertem Tischtuch, das sich seltsam schlüpfrig anfühlte, aus einem blutroten Becherglas trank, die glänzenden blauen Teller der anderen äugte, fühlte ich mich erschlagen von Tönungen, erwürgt von einem Regenbogen.
»Hab' diesen Freund von mir angerufen, von dem ich heute früh sprach«, sagte Doc. Er tauchte ungerösteten Toast in das dicke gelbe Öl zwischen den Dottern seiner Spiegeleier. »Er hat keine leeren Flebben zur Hand, aber etwas anderes, was genauso gut ist. Sagte, wir sollten nach dem Frühstück vorbeikommen. Es ist nur ein kleines Stück die Straße hinauf.«
»Hast du mit Cedric gesprochen, oder mit Lee?« fragte Wanda.
»Du weißt, daß Lee vor zwölf nicht aufsteht«, sagte er. »Das macht uns quitt, bis wieder eines von seinen Mädchen in Schwierigkeiten kommt.«
»Das wird nächste Woche sein, mehr als wahrscheinlich. Warum essen Sie kräftigen Männer nicht wie dieses kleine Mädchen hier?«
»Eine Karboladung ist nicht erforderlich«, sagte Jake. »Ich bin satt.« Fliegen zogen ihre Kreise, bevor sie zu Sturzflügen auf unsere Teller ansetzten.
»Ich bin nicht kleines Mädchen«, sagte Oktobrjana. Sie hatte ihren Teller leergegessen; Doc füllte seinen auf.
»Essen Sie nicht wie eins«, sagte Wanda. Zu ihrem Mann: »Soll ich den General dann hinbringen?«
»Ja, warum nicht?« sagte Doc in ruhigem Ton. »Luther, ziehen Sie dieses Bild aus Ihrem Paß, bevor Sie gehen. Er wird es brauchen, um es in den neuen einzusetzen.«
»Einen neuen amerikanischen Paß?«
Docs rechte Augenbraue hob sich eulenhaft. »Venezolanisch. Das ist alles, was er im Moment an Blankoformularen hat. Ich gebe ihm Ihre Größe, Gewicht, Alter. Er wird Ihnen einen neuen Namen geben, um es ganz koscher zu machen.«
»Ich sehe nicht wie ein Venezolaner aus.«
»Sie sehen auch nicht wie ein Norweger aus«, sagte Doc. »Da unten vermischen sie sich viel mehr als hier oben. Sie werden als Venezolaner durchgehen. Sprechen Sie Spanisch?«
»Etwas«, sagte ich; Spanisch, Türkisch, Russisch, Französisch. »Ich glaube trotzdem, daß ich zu dunkel bin.«
»Dunkel?« Wanda lachte und zeigte ihr altes Gold. »Mit diesen hellen Augen? Sieht so aus, als hätte sich mehr als ein Eismann beim Holzstoß Ihrer Mama herumgetrieben.«
Solchermaßen auf meinen Platz verwiesen, befand ich, daß eine Überprüfung erforderlich sei, und wenn auch nur zur Ablenkung. »Jake«, sagte ich. »Bewegung zu sehen?«
Er zog das Aufspürgerät hervor und sah nach. »Keine.«
»Was ist das Ding?« fragte Wanda.
»Hält uns über die Bewegungen anderer auf dem laufenden«, sagte ich. »Oder über den Mangel daran. Wir äugen nach einem, der unsere Ausreisevisa hat.«
»Einen Freund?« fragte sie.
Wir machten Gesichter. »Ein weiteres Waisenkind der Zeit«, sagte Oktobrjana. »Ist
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