Ambler by Ambler
Unlust geprägt.
Die Psychiater wollten nun einen Film haben, der sich speziell an die Neuen richtete. Scheinbar würde es sich um die Art der Beziehung zwischen einem Unteroffizier und einer Gruppe von direkten Untergebenen handeln. Aber in Wirklichkeit würde der Film sagen: »Ja, wir wissen, was in euch vorgeht. Wir können euch verstehen. Zuerst geht es allen so. Aber wenn wir uns nicht in allzuviel Selbstmitleid ergehen, werden wir in unserem Einsatz möglicherweise auch einen Sinn sehen.« Der Film sollte von Selbstachtung handeln und vom Balsam des Korpsgeistes. Die Psychiater empfahlen uns, falls wir ein Lehrbuch zu diesem Thema benötigten, ein Werk, das ihnen selber als Orientierung diente: Disenchantment , das Buch von C. E. Montague über Moral im Ersten Weltkrieg. Montague habe besonders treffende Bemerkungen über den Rupert Brooke des »Nun danket alle Gott« und über Militärgeistliche gemacht. Das Kapitel über »Die Pflicht zu lügen« sei ebenfalls nützlich.
Peter Ustinov und ich waren beide durchaus qualifiziert, das benötigte Drehbuch zu schreiben. Er war Anfang Zwanzig, ich stand in den Dreißigern. Beide waren wir einberufen worden und hatten unsere Grundausbildung zusammen mit anderen Rekruten absolviert. Wir wußten, was Sturheit sein konnte, von uns und von unseren Vorgesetzten. Wir konnten es beide mit Humor nehmen. Wir waren beide ausgesprochen dafür, daß unsere Seite den Krieg gewann.
Wir nannten den Film, der knapp vierzig Minuten dauerte, The New Lot. Unter der Regie von Carol wurde er in Wembley gedreht, mit u. a. Stanley Holloway, Raymond Huntley, James Hanley und William Hartnell. Unsere freundlichen Psychiater waren sehr zufrieden und fanden, er solle allen neuen Rekruten beim Eintritt in die Armee vorgeführt werden. Doch in diesem Moment stieß der Film auf Schwierigkeiten.
Die älteren, praxisfernen Generäle, diejenigen, die bestimmten, was zur Ausbildung gehören sollte und was nicht, hatten fast alle von The New Lot eine außerordentlich schlechte Meinung. »Diese Leute kann man doch nicht als Soldaten bezeichnen«, polterte einer von ihnen zornentbrannt los. »Die nörgeln doch nur herum. Richtige Soldaten nörgeln nie.« Diese lächerliche Feststellung ist mir tatsächlich in einem Vorführraum des Kriegsministeriums zu Ohren gekommen. Leider konnten die Psychiater rang- und zahlenmäßig nichts ausrichten. Ihre höflich formulierte Ansicht, daß britische Soldaten eben eingefleischte Nörgler seien und man darüber doch nur froh sein könne, wurde mit dem üblichen Spott über die »Seelenklempner« quittiert. The New Lot wurde als subversives, kommunistenfreundliches Zeug verurteilt. Er wurde neuen Rekruten nicht gezeigt. Außerhalb des Kriegsministeriums und des Informationsministeriums wurde er überhaupt kaum gezeigt. Als sich das Britische Filminstitut vor einigen Jahren um eine Kopie für sein Archiv bemühte, hieß es, daß eine Kopie nicht existiere und daß sich auch vom Drehbuch kein Exemplar mehr auftreiben lasse.
Aber die Psychiater waren nicht die einzigen, denen der Film gefiel. Hohe Offiziere sowohl im Büro des Generaladjutanten wie in der pr -Abteilung des Kriegsministeriums waren der Ansicht, daß die Öffentlichkeit ihn sehen sollte. Ein paar Leute im Informationsministerium teilten ihre Ansicht. Wäre er von der Armeefilmeinheit in den Pinewood Studios gedreht worden, dann hätte er zusammen mit dem Dokumentarfilm Sieg in der Wüste vorgeführt werden können. Leider war die Produktion offiziellen Filmmaterials strikt in verschiedene Zuständigkeitsbereiche aufgeteilt. Der aks in Wembley hatte Lehrfilme zu drehen. Die Armeefilmeinheit war für Wochenschauen und Dokumentarfilme zuständig. Two Cities Films hatte Noel Cowards In der wir dienen als kommerziellen Streifen gedreht und dabei die Unterstützung der Marine gehabt. Die Armee nun fand, zur Stärkung der Moral in der Truppe, einen Film vergleichbarer Qualität gut gebrauchen zu können. Hieß das, daß auch sie sich einen kommerziellen Produzenten suchen mußte?
Das Problem ließe sich, wie die Psychiater meinten, doch dadurch lösen, daß wir eine Art Fortsetzung von The New Lot drehten. Wir sollten einen Film von üblicher Länge über die Beziehungen zwischen Offizier und Mannschaft drehen. Ihre Idee hatte sich zuerst ganz gut angehört. Wir hatten in David Niven, der damals Major war und The New Lot gesehen hatte, einen dringend benötigten Verbündeten und Verschworenen gefunden.
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