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Ambler by Ambler

Ambler by Ambler

Titel: Ambler by Ambler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler by Ambler
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Führungsdraht, erwischt zu werden, tat ich, was wir für derartige Notfälle in der Schule gelernt hatten. Ich ging zum nächstgelegenen Haus und klopfte an der Tür. Neben der Frau, die mir öffnete, erschienen zwei Mädchen. Sie trugen die Uniform einer Privatschule in dieser Gegend. Ich zog meine Mütze und leierte mein Sprüchlein herunter, wie wir es von den Lehrerinnen für eine solche Situation gelernt hatten.
    »Verzeihen Sie, gnädige Frau, aber ich glaube, daß ein Luftangriff bevorsteht. Gestatten Sie, daß ich mich hier solange in Sicherheit bringe, bis alles vorbei ist?«
    Die Frau starrte mich an, die Mädchen kicherten. Dann sagte die Frau: »Natürlich. Komm rein!« Sie war eine dunkle, hübsche Frau, die freundlich lächelte, sich über meine hochtrabende Ausdrucksweise aber nicht lustig machte. Die Mädchen freilich wollten mit ihrem Gekicher einfach nicht aufhören. Als ich mich später bei meiner Mutter darüber beklagte, wollte sie wissen, was ich gesagt hatte. Ich schilderte es ihr, und sie meinte, ich sollte mir in Zukunft was Eigenes ausdenken. Daß die Lehrerinnen möglicherweise nicht unfehlbar waren, hat sie nicht direkt gesagt, doch die Andeutung lag in der Luft. Es beschäftigte mich. Ich wünschte, ich wäre weitergelaufen, ohne Schutz zu suchen. Die Sache war die, daß ich sowohl furchtsam als auch wichtigtuerisch war und daß ich wußte, wie eine Granatsplitterwunde aussah.
    Eines Sonntags hatte mein Vater zum Brook Hospital hinausfahren müssen, um dort die Marionettenbühne für eine Abendvorstellung aufzubauen und ein paar neue Lampen auszuprobieren. Ich hatte gebettelt, mitgehen zu dürfen, und meine Mutter hatte eingewilligt. Während er also das Theater aufbaute und mit Sicherungskästen herumhantierte, sprach ich mit den Patienten. Es machte ihnen nichts aus, mir ihre Wunden zu zeigen. Besonders gründlich sah ich mir einen der Granatsplitter-Fälle an. Er hatte auf einem Arm eine lange, zackenförmige Narbe von unterhalb der Schulter bis zum Handgelenk. Das sei nicht so schlimm, sagte er, aber dieselbe Granate hätte ein halbes Bein abgesäbelt. Es war der Gedanke, ein Holzbein tragen zu müssen, der ihm zu schaffen machte.
    Das Brook Hospital wirkte jedoch ganz freundlich. Angst hatte ich eher vor einem gefängnisartigen, viktorianischen Krankenhaus in Hither Green. Es war eine Klinik für Fieberkranke, und der Quarantänetrakt hatte hohe Klinkermauern und Gitterfenster. Als mein Bruder Scharlach bekam, blieb ihm, wie der Arzt sagte, eine Einlieferung dorthin nur deswegen erspart, weil unsere Mutter sich bereit erklärt hatte, während seiner Pflege sich selbst und das Haus den Quarantänebestimmungen des Gesundheitsamts zu unterwerfen. Mein Vater mußte bei Bekannten in Charlton einquartiert werden. Ich wurde zu Großvater Ambler nach Balham geschickt, wo ich, anstatt zur Schule zu gehen, Großmutter Ambler bei den Lebensmitteleinkäufen half. Es war eine Zeit, in der Mangel herrschte und drastische Witze darüber gerissen wurden, was alles in einer Dose Maconochie* enthalten war. Das einzige Rationierungssystem war ein von den Geschäftsleuten selbst praktiziertes grobes Verfahren. Sie bestimmten in eigener Regie, wieviel sie pro Kopf abgeben wollten und gingen dann nach dem Motto »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst« vor. Wenn es beim Gemüsehändler beispielsweise Kartoffeln gab, wurden pro Person 14 Pfund abgegeben. Großmutter und ich stellten uns also an, und wenn sie ihre 14 Pfund erhalten hatte, trat ich vor und bekam meine. Beide Zuteilungen wurden aus ihrem Portemonnaie bezahlt, doch niemand beschwerte sich, daß wir ja zusammengehörten. Es galt: eine Zuteilung pro Kopf, und ich zählte als Kopf. Der anstrengende Part bestand darin, alles in Einkaufsnetzen in die Yukon Road zu schleppen. Großmutter war eine untersetzte, kleine Person, die immer einen Hut trug und an deren Manchester-Akzent sich nie etwas änderte. An Weihnachten sang sie, wenn man sie drängte, einen komischen Song aus der Salforder Zeit mit dem Titel »Going to Pomona«:
    We met in Albert Square (so fing es an)
    I never shall forget,
    Her eyes shone like the stars,
    The evening, it was wet .
    Bei it was wet sollten alle mitsingen, um zu zeigen, daß jeder wußte, daß Pomona Manchester war. Die Geschichte handelte davon, daß unser Liebhaber in der dunklen, regennassen Stadt einem peinlichen Irrtum unterliegt.
    Upon my life ,
    It was my wife ,
    I was taking to Pomona.
    Großmutter Ambler hielt

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