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Ambler by Ambler

Ambler by Ambler

Titel: Ambler by Ambler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler by Ambler
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tragen, ich wußte aber nicht so recht, wie ich es ihr ausreden konnte. Die Begründung, die mir schließlich einfiel – daß lange Strümpfe von Mädchen getragen würden –, wurde von ihr indes akzeptiert. Es blieb mir also erspart. Mein eigentlicher Einwand richtete sich wohl gegen die Knickerbockeruniform. Mr. Click hatte zwar eines Tages beim Gebet gesagt, jedermann müsse den Jungs aus dem Waisenhaus Liebe und besondere Freundlichkeit entgegenbringen, da sie, im Gegensatz zu uns, nicht die Vorzüge eines Elternhauses genossen, doch von allen, die kleiner waren als sie, wurden sie von Anfang an gehaßt. Sie waren gehässig und hinterhältig, sie schikanierten uns auf dem Schulhof und konnten meisterhaft den Unschuldigen spielen, dem man unrecht getan hatte. Sie rochen penetrant nach Karbolseife und fielen mit lauter Stimme ein, wenn gebetet wurde. Wir anderen rochen nach weniger angenehmen Dingen, allerdings auch nicht nach Frömmigkeit. Unseren Lehrerinnen, hingebungsvollen Frauen, ist anscheinend nie aufgefallen, daß wir rochen. Das einzige, worum sie uns baten, war, daß jeder ein Taschentuch oder irgendeinen Stoffetzen bei sich hatte, in den er husten oder niesen sollte. Das Ausspucken im Klassenzimmer war strengstens verboten.
    Lesen wurde nach einer phonetischen Methode unterrichtet, die mir sehr entgegenkam. 1916 bekam Großvater eine Stelle im Woolwich Arsenal, und um es nicht so weit zur Arbeit zu haben, zog er zu uns. Wenn er Nachtschicht hatte, aß er zeitig zu Abend, ehe er sich auf den Weg zum Bahnhof machte. Während er aß, ermunterte er mich, ihm laut aus der Abendzeitung vorzulesen. Der erste Vielsilber, den ich erfolgreich über die Lippen brachte, war »Me-di-ter-ran«. Großvater freute sich und brachte mir sofort noch ein anderes einschüchterndes Wort bei: »Ka-pi-ta-lis-mus«. Er sagte, ich sollte es mir gut merken, denn nach dem Krieg würde es nicht mehr existieren.
    Törichterweise brüstete ich mich mit meinen neuen Kenntnissen, und mein Vater, der die ›Daily Mail‹ las, wollte von Großvater eine Erklärung haben. »Der Junge ist noch nicht reif für eine Revolution, Chas, gib ihm wenigstens eine Chance, seine eigene Wahl zu treffen. Was passiert denn, wenn ihr Labour-Jungs im Arsenal und in den Munitionsfabriken den Pöbel davon überzeugt, daß die Deutschen unsere besten Freunde sind? Vermutlich werdet ihr alle streiken, und sie werden den Krieg gewinnen, weil die englische Artillerie mal wieder keine Granaten hat. Ist es das, was die Labour Party will?«
    Seine Stimme klang zwar durchaus freundlich, doch meine Mutter, die immer gleich unruhig wurde, wenn zwischen ihren Männern auch nur die Andeutung einer Unstimmigkeit aufkam, befahl sofortigen Friedensschluß. »Keine Antwort, Dad! Jetzt reicht’s aber, Reg! Schluß jetzt, ihr beiden!«
    Mein Vater hob die Hände in die Höhe, als kapituliere er, und das war dann schon alles. Großvater kicherte, aber das hätte er ohnehin getan. Er hat immer gerne gekichert, und wenn fanatische Neu-Konservative rhetorische Fragen über die Labour Party vorbrachten, hat er am meisten gekichert. Später hörte ich ihn »Dämliches Pack!« murmeln. Damit meinte er nicht Mutter und Vater, sondern ganz allgemein Leute, die seine Ansichten über das Neue Jerusalem und die Bruderschaft aller Menschen nicht teilten.
    Die ersten Bücher, die ich besaß, waren Grimms Märchen , Alice im Wunderland , eine Bibel sowie Martin Rattler von R. M. Ballantyne. Davon hab ich nur die Bibel nicht mehr als einmal gelesen. Ein deprimierendes Schriftbild, halbtransparentes Papier und ein weicher Ledereinband – all das mag dazu beigetragen haben, daß ich der geistigen Nahrung, die mir da geboten wurde, nur wenig Interesse entgegenbrachte. Später betrachtete ich die Bibel als eine Art Nachschlagewerk für all diejenigen, die nicht das Kinderlexikon von Arthur Mee besaßen. Martin Rattler , die Geschichte eines »außerordentlich ungezogenen Jungen«, den seine südamerikanischen Abenteuer zu einem »richtigen Mann« heranreifen lassen, war zwar nicht der beste Ballantyne, machte mich aber mit seinen anderen Büchern bekannt und führte zu der Angewohnheit, daß ich die in den Büchern abgedruckten Hinweise »Vom selben Autor erschienen« immer genau studierte. Meine Mutter jammerte, ich würde langsam ein Bücherwurm und, genauso wie mein Vater, meine Augen ruinieren.
    Das einzige Buch, das ich jemals gerne verloren hätte, war Eric or Little by Little . Ich

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