Ambler by Ambler
Familie nach London umgezogen war. Ihr Vater war Tischlermeister, ihre Mutter die Tochter eines Anwalts. Sie war gebildeter als mein Vater, wenn ich auch nicht glaube, daß ihnen dieser Umstand je aufgefallen ist. Was sie verband, war die Musik und eine komödiantische Ader. Beide waren theaterbesessen. Meine Eltern auf der Bühne. Sie traten als Reg und Amy Ambrose auf. Mit dieser Fotografie machten sie bei den Theateragenten Reklame für ihre »Lebende Marionetten-Show. Die Kunst der lebenden Marionetten, früher in England sehr populär, ist heute völlig in Vergessenheit geraten. Das Gesicht gehörte einem Schauspieler, und die Marionette selbst wurde vom Besitzer des Gesichts durch Schlitze in einem schwarzen Vorhang geführt. Reg Ambrose hat sich auf diesem Gebiet als Neuerer hervorgetan. Er entwarf einen Vorhang, der unbewegt schien, wenn sich die Marionette seitwärts bewegte (der Vorhang war auf Rollostangen gespannt), und baute Mationettenhände mit Gelenken, die es ihm erlaubten, auf der Bühne eine Zigarette anzuzünden und sogar auf einem Miniaturflügel zu spielen.
Eine weitere Theateranzeige. Als lebende Marionetten aus der Mode kamen, verlegten sich meine Eltern auf das Veranstalten von »Concert Parties«. Dabei handelte es sich um Künstlertruppen, die in einem kleinen Saal oder Theater gegen entsprechendes Entgeld Vaudeville-Unterhaltung anboten, einen Abend, eine Woche oder eine ganze Saison hindurch. Die Concert-Party ist heute ebenfalls in Vergessenheit geraten. Diese um 1917 entstandene Aufnahme zeigt eine der Truppen meines Vaters, die sich »The Whatnots« nannte. Meine Mutter, die Soubrette, sitzt auf dem Flügel. Der Mann, der schelmisch an ihrer Haarschleife zupft, ist der Komödiant, mein Vater.
Familienbildnis 1920 . Offensichtlich lächelte man damals, wenn man vom Strandfotografen die Anweisung bekam zu lächeln. Dieser spezielle Fotograf muß allerdings über eine beispiellose Überredungskunst verfügt haben. Meine Mutter, eine Frau mit starkem Willen und hitzigem Temperament, unterwarf sich nie gerne Regieanweisungen von Fremden. Vielleicht sieht man, daß ihr zwar recht breites Lächeln hier nicht ganz bis zu den Augen reicht. Der Knabe zu ihren Füßen ist mein Bruder Maurice. Meine Schwester war noch nicht geboren.
Student, achtzehnjährig. Die Schau, die ich hier abziehe, war darauf angelegt, das Mädchen mit der Kamera zum Lachen zu bringen. Damals habe ich anscheinend viel Zeit darauf verwendet, Mädchen zum Lachen zu bringen. Möglicherweise deswegen, weil ich damals von der Annahme ausging (einer, wie ich inzwischen weiß, unbegründete Annahme), Mädchen könne man leichter dazu überreden, mit einem ins Bett zu gehen, wenn man sie zum Lachen brächte.
Schluß mit den Faxen. Der Jungschriftsteller, siebenundzwanzig Jahre alt, will ernst genommen werden. Welch ein sensibles Gesicht! Aber wo sind all die Haare her? Und wo sind sie geblieben?
Lance-Bombardier Ambler, Royal Artillery, 1940 . In britischen Artillerieregimentern wird ein Gefreiter als Bombardier bezeichnet. Diesen Dienstgrad hatte ich damals, weil ich Ausbildergeworden war. Wer je den Kommiß erlebt hat, wird in dem verschleierten Blick und dem höhnischen Zug um den Mund sofort den angeborenen Sadismus aller Ausbilder erkennen. Innerhalb weniger Monate war aus dem sanften Autor von Die Maske des Dimitrios (und fünf weiterer Romane) ein brutaler Schinder geworden.
In Kriegszeiten geht es mit Beförderungen meist etwas schneller. Von einem Oberst oder Major Ambler existieren zwar keine Aufnahmen, aber hier ist eine von Hauptmann Ambler in der Fünften Armee an der Front in Italien. Wenn er viel weniger selbstgefällig aussieht als der Bombardier, dann deswegen, weil das Bild im Dezember 1943 in der Nähe von San Pietro (von einem Fotografen des US-Fernmel-dekorps) aufgenommen wurde .
Beim Nachkriegsfilm, 1953 . Mit Der Fall Deltschev war ich zur Schriftstellerei zurückgekehrt, doch das Schreiben von Drehbüchern hatte noch immer seine Reize. Der Mann rechts im Bild ist Nicholas Monsarrat. Mein Drehbuch nach seinem Bestseller Großer Atlantik brachte mir einen Oscar ein. Der Mann links ist John Hawkins, Hauptdarsteller des Films, ein großartiger Schauspieler und ein prächtiger Mensch. Er macht uns gerade klar, wie er, nachdem die Dreharbeiten beendet sind, seine Rolle sieht. Man beachte, mit welch respektvoller Aufmerksamkeit die beiden Schriftsteller zuhören.
7
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